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Fakten zur Aufführung 

COSÌ FAN TUTTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
26. Dezember 2014
(Premiere)

Tiroler Festspiele Erl


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Zwei liebestolle Tiroler in Neapel

Gerade noch rechtzeitig taucht der Wettergott die Tiroler Landschaft in eine märchenhafte winterliche Bergidylle, und bereits die Anfahrt zum architektonisch so gelungenen neuen Tiroler Festspielhaus stimmt den Betrachter wohlgelaunt und hoffnungsfroh auf die Eröffnung der Tiroler Winterfestspiele in Erl. Der Präsident der Festspiele und großzügige Mäzen, Unternehmer Peter Haselsteiner, tritt mit Tatendrang vor den Vorhang und begrüßt persönlich die Gäste und sendet seine Weihnachtsbotschaft ehrgeizig mit einem kleinen Seitenhieb auf die unlängst pannenvolle Premiere an der Wiener Staatsoper. Das schürt die Spannung bei den Gästen, und der künstlerische Hausherr, Gustav Kuhn, knüpft ohne Unterbrechung musikalisch mit der Overtüre zu Mozarts Spätwerk Così fan tutte an. Er tritt kräftig in die Pedale beginnt mit anspruchsvollem Tempo, dem die Musiker nacheilen, besonders den Bläsern fehlt der Atem, der Strich der Geiger wirkt hart und fest, aber der Routinier Gustav Kuhn nimmt den Druck heraus, spornt seine Musiker zu emotionalen Phrasierungen und schafft so immer wieder luftige, leichte, gefühlvolle Passagen. Ebenso widmet er sich den Sängern und gibt präzise Anweisungen aus dem voll besetzten Orchestergraben. Er spornt an und fordert kraftvollen Gesang im Zusammenspiel mit dem lautstark geführten Orchester.

Auf der Bühne treffen wir wieder bekannte Stimmen, mittlerweile kann man schon von einem Tiroler Festspielensemble sprechen, das sich aus talentierten jungen und erfahrenen, international erfolgreichen Solisten zusammensetzt. Das Geschwisterpaar Fiordiligi und Dorabella übernehmen die Russin Anna Princeva und die Südtirolerin Aurora Faggioli. Die eine mit einem warmen, dunkelgefärbten, aber facettenreichen Sopran, der keine Schwächen und Grenzen erkennen lässt. Die andere mit einem weichen vornehmen Mezzo, geschmeidig unaufdringlich, der sich in der Färbung von ihrer Schwester abhebt. So passen sie gut zu den unterschiedlichen Charakteren: die eine spröde, zögernd, schon fast altjüngferlich hochgeschlossen, die andere jung, anmutig kess unschuldig, neugierig alle Abenteuer erkundend. Ausgeklügelt und geschmackvoll sind die Kostüme von Lenka Radecky entworfen. Gut fügt sich Sophie Gordeladze als Despina ins moderne, elegante Designambiente ein. Die erfahrene Hausdame ist nicht minder im modischen kleinen Schwarzen mit roten high heels gekleidet und präsentiert ihren virtuosen Sopran herausfordernd, nicht lehrmeisterhaft parodierend, sondern professionell gegenüber Giulio Boschetti, der den Manager und Moderator Don Alfonso jugendlich frisch und ariös mimt. Auch hier zwei ausgeglichene Stimmen, die auch schauspielerisch brillieren. Ferdinand von Bothmer verfügt über keinen klaren, hellen Mozarttenor, und sein Ferrando überzeugt nicht. Michael Kupfer hat in Erl schon seine Vielseitigkeit und sein schauspielerisches Talent bewiesen. Auch sein Guglielmo fügt sich erfolgversprechend in die Ensembleleistung ein.

Der Bühnenbildner Jan Hax Halama reiht wie an einer Perlenkette seine typischen großflächigen, spärlich ausgestatteten, hellen Bühnenbilder aneinander. Wir erleben einen kleinen Platz in Neapel, Ferrando und Guglielmo in ihren schicken Pilotenuniformen verfolgen im Fernsehen vermutlich ein Fußballspiel. Don Alfonso verwickelt sie in die fatale Wette um die Gunst ihrer Geliebten, die sich im nächsten Bild auf den Liegen in der Sonne räkeln oder danach lässig in einer Polsterlandschaft ihren Geliebten in Träumen folgen, als diese in der Verkleidung schmucker „Tiroler Buam“ mit Zwirbelbart, Hut und Gamsbart liebestoll auf die Bühne springen und so herzliche Lacher ernten. Bei so viel Lokalklamauk auf der Bühne darf der neue österreichische Star Conchita Wurst nicht fehlen. So verkleidet, erleben wir Despina als barttragende Wunderdoktorin, die die ermatteten Tiroler wieder „motorisiert“. Aber das sind auch die wenig aufrüttelnden Momente der Regie von Gustav Kuhn. Ansonsten bleibt die Personenführung statisch, ohne Spannung, Gefühle oder Emotionen. Durch die vielen langen Lichtpausen beim Umbau wird jede Spritzigkeit im Spiel als auch in der Aufmerksamkeit unterbrochen. Am Ende viel Applaus vom Premierenpublikum für eine ausgewogene musikalische Leistung auf hohem Niveau in einer modern traditionellen Inszenierung ohne Ecken und Kanten. Sicherlich eine Premiere ohne Pannen, aber auch ohne Höhepunkte.

Helmut Pitsch

 

Fotos: APA Fotoservice