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Fakten zur Aufführung 

DIE ZIRKUSPRINZESSIN
(Emmerich Kálmán)
8. November 2014
(Premiere)

Deutsche Oper am Rhein,
Theater Duisburg


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Operette in lupenreiner Unschuld

Auch wenn Emmerich Kálmáns dritter Welterfolg, Die Zirkusprinzessin, 1926 den Triumphen der Gräfin Maritza und der Csárdásfürstin in nichts nachstand, hat die Story unter der Zirkuskuppel im Laufe der Zeit erheblich an Beliebtheit verloren. An der Genre-typischen Handlung kann es nicht liegen, an der wie immer pointierten und mit einem leichten melancholischen Schleier überzogenen Musik auch nicht. Mit den Zwei Märchenaugen enthält die Zirkusprinzessin zwar nur einen nachhaltigen Ohrwurm: Viel mehr bieten die anderen Kálmán-Bestseller freilich auch nicht. Dafür glänzendes musikalisches Handwerk und Klänge, die Ohren und Seele umschmeicheln.

Josef E. Köpplinger, Intendant des Münchner Theaters am Gärtnerplatz, ist Ende der letzten Saison in seinem Stammtheater eine Art Rehabilitation gelungen, die jetzt auch an der Deutschen Oper am Rhein im Duisburger Theater zu sehen ist. Mit viel szenischem Aufwand und einfachen Konzepten.

Geboten wird Operette in nostalgischer Pracht ohne ideologische Fragezeichen oder sonstigen Tiefsinn in exzellent komponiertem Klanggewand: Wer Operette als kulinarische Unterhaltung in lupenreiner Unschuld genießen möchte, der kommt bei dieser Produktion der Deutschen Oper am Rhein voll auf seine Kosten. Nach der vorzüglichen, aber eingedunkelten Inszenierung der Csárdásfürstin durch Joan Anton Rechi vor zwei Jahren geht Köpplinger ganz andere Wege. Er ist wegen Renovierungsarbeiten an seinem Haus derzeit auf Ausweichquartiere angewiesen und verpflanzte die Zirkusprinzessin dahin, wohin sie standesgemäß gehört und wovon Kálmán selbst auch geträumt hat: in den Zirkus. Das tat er vor wenigen Monaten in München bereits im Zirkus Krone. Ganz so authentisch kann es im Duisburger Theater natürlich nicht zugehen. Aber eine quirlige, zwölfköpfige Clownstruppe sorgt bereits im Foyer für zirzensische Stimmung und ist während der dreistündigen, gleichwohl kurzweiligen Aufführung mit Tanz, Schabernack und Mitgefühl auch auf der Bühne stets präsent. Gipfelnd in brillanten Pas de deux mit skurrilen Puppen. Ganz zu schweigen von der geradezu luxuriös ausgestatteten und beleuchteten Manege, in der sich die typische Operetten-Story abspielt. Bühnenbildner Rainer Sinell und Kostümbildnerin Marie-Luise Walek griffen tief in den Farbtopf und liefern ein buntscheckiges Spektakel der Extraklasse. Mit viel Glimmer, kunterbunten Lichterketten, dichtem Schneegestöber und prächtigen russischen Luxusschlitten.

Die Handlung in Kürze: Die reiche russische Witwe Fedora weigert sich, auf Anweisung des Zaren einen ungeliebten Prinzen zu heiraten und nach vielen Verwicklungen kommt es zur gewünschten Vereinigung mit dem geheimnisvollen Mr. X, dem Star des Petersburger Zirkus', der sich letztlich als verarmter Spross des verflossenen Gatten der zur Zirkusprinzessin avancierten Fürstin und damit als standesgemäße Partie entpuppt.

Anders als die meisten seiner Kollegen inszeniert Köpplinger das Stück ohne Seitenblick auf die flankierenden historischen Katastrophen, sondern als Spotlight und Momentaufnahme purer Lebensfreude der „goldenen“ 1920-er Jahre. Da wird nichts hinterfragt oder heraufbeschworen. Es wird getanzt, geschäkert, integriert und gealbert, zum Glück ohne Griff in die Klamottenkiste. Die leichte Wehmut, die Kálmáns raffiniert gemixte und glänzend orchestrierte Musik durchzieht, bleibt stets spürbar. Und für authentischen Wiener Schmäh, der einige Nebenhandlungen prägt, sind sogar Kräfte aus südlichen Gefilden zur Stelle. Auf alle Fälle geht Köpplinger mit der Zirkusprinzessin erheblich besser zu Werke als mit seiner fragwürdigen Traviata am Essener Aalto-Theater.

Kálmáns frische, gefühlvolle, aber nie sentimentale und zudem handwerklich perfekt gestrickte Musik stellt erhebliche Anforderungen an Sänger und Orchester. Wolfram Koloseus, der bereits in der Csárdásfürstin beeindruckte, geht mit der Zirkusprinzessin orchestral etwas robuster um, was sich vor allem in der zu starken Präsenz in den kleinen gesprochenen Melodramen störend auswirkt. Auch die Solisten haben es nicht immer leicht, sich durchzusetzen, so auch die überaus charmante Romana Noack in der Titelpartie, die ihre jugendliche Strahlkraft ausspielen kann, auch wenn ihre Stimme eine Spur zu klein für die Rolle wirkt. Davon kann bei dem stimmlich stark auftrumpfenden Carsten Süss als Mister X nicht die Rede sein. Nur bleibt er darstellerisch ein wenig blass. Glänzend das Wiener Paar mit Susanne Grosssteiner als Mabel und Boris Eder als Toni Schlumberger, das nicht mit seinem komödiantischen Talent geizt. Davon zeigte auch Wolfgang Schmidt als aufgeblasener Prinz Sergius eine Menge, mehr jedenfalls als stimmliche Stabilität. Liebevoll sind die kleineren Partien besetzt, vor allem die der alternden Paare, etwa von Franz Wyzner als Zirkusdirektor und Gisela Ehrensperger als dessen Gattin sowie der Eltern von Toni Schlumberger mit Sigrid Hauser als resolute Hotelbesitzerin und Wolfgang Reinbacher als Oberkellner Pelikan. Eine Rolle, die Hans Moser in der Uraufführung spielte und die als hintergründige Antwort auf Johann Strauss‘ Frosch aus der Fledermaus verstanden werden kann. Nach einigen Wackelkontakten mit dem Orchester findet auch der Chor zur gewohnten Qualität.

Begeisterung allerorts für einen unbeschwerten Abend auf beachtlichem Niveau.

Pedro Obiera





Fotos: Hans-Jörg Michel