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Fakten zur Aufführung 

HOMMAGE AN GERARD MORTIER
(Johan Simons)
16. August 2015
(Einmalige Aufführung)

Ruhrtriennale, Gebläsehalle Duisburg


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Auf der Linie des Regenbogens

Kurz nach ihrer Eröffnung widmet die diesjährige Ruhrtriennale ihrem Gründer und ersten Intendanten Gerard Mortier eine musikalische Hommage der besonderen Art mit Musik der Moderne des 20. Jahrhunderts. Mit ausgefallenen, anspruchsvollen Werken von  Giacinto Scelsi, Ferruccio Busoni, Alban Berg, Anton Webern und Olivier Messiaen präsentiert das Klangforum Wien unter wechselnder Leitung von Sylvain Cambreling und Emilio Pomárico selten gehörte Klang- und Rhythmuselemente und Ausdrucksformen, die nicht jeden Tag in den Konzertsälen erklingen. Mit dem Klangforum Wien hat Intendant Johan Simons ein Ensemble verpflichtet, das, seit 1985 aufgebaut, seine Auftritte als  „sehr behelfsmäßig getarnte Veranstaltung zur Verbesserung der Welt“ sieht,  ähnlich wie Mortier das Theater. Und so kehrt das Klangforum Wien dem Konzertsaal den Rücken und tritt in der ehemaligen Gebläsehalle des Hüttenkomplexes Duisburg zumindest erinnerungsmäßig an einen Platz des wirklichen Lebens zurück. Hier zeugen noch die schmutziggrauen Wände, ein Lastenkran an der Decke und die verrosteten Köpfe der Doppelschrauben von Wandankern von einer Zeit, in der sich keine Zuschauer, Zuhörer begegneten, sondern verschwitzte Arbeiter – Malocher – mit riesigen Maschinen zu kämpfen hatten. Ihre „Routine des Alltags“ mit dem Theater, einem Konzert, zu durchbrechen, wie Mortier es sich wünschte, war sicher schwierig.

Die Mitglieder des Klangforums Wien, auf der Ruhrtriennale bis zu 24 Musiker stark, treten in unterschiedlichen Formationen je nach Stück auf. Gleich zu Beginn fordert das Ensemble mit Scelsis Pranam I die Hörgewohnheiten seiner Zuhörer heraus: Abstrakte Klänge, sphärische Klangpartien, eine wortlose menschliche Gesangstimme wecken Assoziationen an fernöstliche Klänge. Für die in Neuer Musik erfahrene Sarah Wegener, Sopran,  keine ungewohnte Herausforderung, wenn sie sich instrumentenähnlich in den Orchesterklang einfühlen muss. Im Gegensatz dazu lässt Busonis Gesang vom Reigen der Geister den Tanzcharakter seines Gesangs rhythmisch und musikalisch erkennen. Mit großer Besetzung präsentiert dann Emilio Pomárico am Pult die von ihm selbst bearbeiteten provokanten Altenberger Lieder, op. 4, die Alban Berg nach Postkarten-Texten von Altenberg vertonte. Die vielseitige Natalia Pschenitschnikova meistert diese Lieder, in denen vor allem Schlagwerk und Bläser lebhaft kommunizieren, mit dunkel getönter Stimme und starkem Ausdruck. Nach einem zweiten Teil von Scelsis Pranam und einer kurzen Symphonie von Anton Webern ergänzen zum Schluss Vibraphone und Gongs die Instrumente und lassen mit Messiaens Couleurs de la Cité Céleste ein weicheres Stück erklingen, in dem Cambreling am Pult noch einmal die Expressivität und Perfektion des Ensembles überzeugend nutzt. Wie sein italienischer Kollege Pomárico kann sich bei dem routinierten Ensemble auch Cambreling mit leichten Akzentuierungen und Phrasierungen begnügen, um das ausdrucksstarke und rhythmische prononcierte Spiel des Klangforums Wien zu unterstützen. Cambreling übernimmt auch das Dirigat der Scelsi-Stücke, nachdem Teodor Currentzis krankheitsbedingt absagen musste.
Gerard Mortier, 1943 in Gent geboren und 2014 in Brüssel verstorben, gilt als Theatermensch durch und durch. Für ihn stand das Theater mitten im Leben, ist Teil des Lebens. Deshalb war für ihn auch das „Verhältnis zwischen Architektur und Aufführung“ sehr wichtig. Welch eine Vorlage für eine Aufführung an besonderem Ort, für ein Konzert in der Gebläsehalle in Duisburg. Mortier war sich sicher, „dass jede Kommunikation zwischen Menschen notwendigerweise zum Theater führt.“ Er, den Simons den „visionärster Operndirektor“ nennt, wäre mit diesem Konzert sehr zufrieden gewesen. Das Programm geht gegenüber seinen Zuhörern keine Kompromisse ein, so wenig wie Mortier, der zu Kompromissen gegenüber dem Publikum immer weniger bereit war.

Beim minutenlangen Schlussapplaus eines beeindruckten, begeisterten Publikums hat mancher den Eindruck, dass sich die raue Umwelt der Gebläsehalle im Laufe des Konzertes mit der Musik verändert hat und Teil einer anderen Ästhetik geworden ist.

Horst Dichanz

Fotos 1-4: Marcus Simaitis
Foto 5: Opernnetz