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Fakten zur Aufführung 

ITALIENISCHE OPERNGALA
29. Mai 2014
(Einmalige Aufführung)

Klangvokal, Konzerthaus Dortmund


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Italienisches Feuerwerk im Revier

Eigentlich hatten Torsten Mosgraber und sein Team sich das fein ausgedacht. Eine italienische Nacht im Dortmunder Westfalenpark auf der Seebühne, die mit einem Feuerwerk an Opernmusik beginnt und mit einem Feuerwerk am Sternenhimmel endet. Aber Ende Mai 2014 in Deutschland kommt so etwas nicht in Frage. Die Wettervorhersage kündigt für den Vatertag Regen an, das Thermometer kommt nicht über 13 Grad Celsius. Zwar behält die Wettervorhersage nicht Recht, dafür ist es aber viel zu kalt, um abends in irgendeinem Park herumzustehen und sich gute Laune einzureden. Also hat Mosgraber, Direktor des Festivals Klangvokal, das zum sechsten Mal vom 22. Mai bis zum 22. Juni in Dortmund veranstaltet wird, entschieden, dass die Operngala im Konzerthaus Dortmund stattfindet. Die Besucherinnen und Besucher danken es ihm, indem sie das Konzerthaus kurzerhand nahezu vollständig besetzen.

Vollkommen zu Unrecht hat Klangvokal bislang noch nicht die überregionale Bedeutung erlangt, die es längst verdient. Dabei kann sich das Programm wirklich sehen lassen. So auch an diesem Abend. Nicht etwa die üblichen Arien-Schlager aus dem Süden stehen auf dem Zettel, sondern eine gelungene Mischung aus bekannten Werken Verdis und Puccinis sowie Opern von Arrigo Boito und Umberto Giordano zeigen das Spektrum von Belcanto bis Verismo auf. Neben Stücken aus Tosca und Un Ballo in Maschera werden Ausschnitte aus I Vespri Siciliani, Giovanna d’Arco oder Alzira, aber auch aus Mefistofele, Suor Angelica und Andrea Chénier präsentiert. Ganz ohne Anheizer geht es aber auch an einem solchen Abend nicht.

Das Schöne an einer solchen Operngala ist ja, dass das Orchester sich austoben kann und die Solisten sich ganz auf den Gesang konzentrieren können. Als Orchester treten die Wuppertaler Sinfoniker an, allerdings nicht unter ihrem Musikalischen Leiter Toshiyuki Kamioka. Am Pult steht Maurizio Barbacini, der sich nicht nur auf die italienische Opernliteratur, sondern vor allem auf das Dirigat eines großen Orchesters versteht. Gleich mit der Ouvertüre aus I Vespri Siciliani, mit der der Abend eröffnet, legt Barbacini die Messlatte ganz weit nach oben. Mit vollem, mitunter fast kindlich anmutendem Körpereinsatz treibt er die Instrumentalisten zu gleißender Transparenz, scheut nicht davor zurück, aus einem Marsch-Motiv auch einen Marsch erklingen zu lassen. Und so hört man schon nach wenigen Sekunden nicht nur Verdische Spannung, sondern auch den Klang der Musik, die im Opernhaus von Parma gepflegt wird. Diese Qualität halten Barbacini und seine Mannen bei, und selbst wenn es später bei den tutti richtig laut wird, hält die Akustik des Konzerthauses das aus und das Orchester das Publikum in Fesseln.

Einer der Solisten ist Hector Sandoval, ein Tenor, der aus Mexiko-City stammt und bei den letzten Bregenzer Festspielen als Andrea Chénier begeistert hat. Für seine Eröffnung wählt er die Kanzone des Herzogs von Mantua aus Rigoletto aus: La Donna é mobile. Unbekanntere Stücke mögen ja interessant sein; aber ein bisschen Stimmung sorgt für die nötige Grundlage, um die Begeisterung zu entfachen. Sandoval nimmt’s scheinbar auf die leichte Schulter. Er intoniert den Evergreen eigen und nimmt auch schon mal in Kauf, dass es nicht hundertprozentig passt. Der Spaß zählt, und das weiß auch das Publikum zu würdigen. Zwei Mal bricht der Sänger im Laufe des Abends kurz ein; allerdings klingt das eher nach einer überstandenen Bronchitis als nach fehlendem Vermögen. Sandoval strotzt vor Selbstbewusstsein. Und wer weiß, dass er richtig gut ist, kann sich auch mal Späße erlauben. Dieser Tenor kann das. Hat er doch vom lyrischen Schmelz bis zur dramatischen Überzeugungskraft alles drauf, was das Fach zu bieten hat. Da darf man sich dann auch schon mal mit dem Ersten Geiger kebbeln, mit dem Publikum in der ersten Reihe reden, den Rängen Kusshändchen zuwerfen und einer älteren Dame im Publikum seinen Blumenstrauß mit Wangenkuss verehren. Mit dem Mann muss man mal einen Wein zusammen trinken – und wenn es dabei ein brindisi gibt, wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Auch versucht er, mit Bekleidungsvariationen ein wenig Abwechslung zu schaffen. Mal ist es der Frack mit weißem Hemd und Fliege, dann ohne Frack mit schwarzem Hemd, Kummerbund und offenem Kragen, beim nächsten Mal der Cut zum schwarzen Hemd.

Solcherlei Mühen unterzieht sich die andere Solistin des Abends nicht. Katia Pellegrino erscheint im karmesinroten, bodenlangen Kleid mit Goldstickereien, das weniger vorteilhaft als langweilig wirkt. Aber es passt zum Gesamteindruck. Der Dekolleté-Doppelgriff gehört zum Standardrepertoire wie die kleine Stimme. Erst wenn sie beinahe spricht, wird sie verständlich. Vielleicht ist sie als Italienerin gegenüber dem Mexikaner im Nachteil, der sich bemüht, sein Italienisch lupenrein zu präsentieren.

Am Ende des Abends ist das Publikum erschöpft, aber glücklich. Und dann gibt es sie doch noch, die Sterne italienischer Opernmusik, die wie ein Feuerwerk über dem Auditorium leuchten. Vissi d’Arte, E lucevan le Stelle … Vier Zugaben gönnen Musiker und Publikum sich. Die Besucherinnen und Besucher sind begeistert, der Beifall ist langanhaltend, und schließlich erheben sich auch einige zu stehenden Ovationen. Klangvokal hat ins Schwarze getroffen. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Michael S. Zerban

Fotos: Sandra Spitzner, B. Kirschbaum