Meditativer Atem
Faszinierend Sciarrinos Musik: leise, langsam, kalkuliert aufbrausend, zwei Orchester mit Echo-Effekten im Klangraum, eingebettete Singstimmen im durchgehendem Parlando mit psychisch-intensiver Relevanz. Das Sinfonieorchester Wuppertal interpretiert unter dem hochsensibel dirigierenden Evan Christ den meditativen Atem der subtilen Sciarrino-Musik in höchster Perfektion.
Thomas Dreißigackers Regie betont sowohl die zerstörten Weltordnungen als auch die individuellen Konflikte - Shakespeare-Elemente strukturieren den Ablauf, werden kontrastiert mit statuarisch-bedeutungsstarker Präsenz der Akteure: vor allem die Wahnsinnsszene der Lady bleibt haften. Die in Schwarz gehaltene geometrische Bühne und die militärisch-bedrohlichen Kostüme vermitteln den permanenten Eindruck existenzieller Bedrohung.
Jennifer Arnold und Ekkehard Abele verleihen der Lady und Macbeth hochartifizielle Stimmqualität mit diffizilen Registerwechseln und gekonnten Klang-Modulationen. Stefanie Schäfer, Assaf Levitin und Stefan Boving lassen ihre außerordentlichen Fähigkeiten zu durchaus "unkonventionell-modernem" Gesang hören - und die Chancen zu meditativ-wirksamem Ausdruck. Der "Chor" artikuliert Sciarrino-Intentionen mit großer Eindringlichkeit.
Im Publikum aus dem "Tal" sind viele nicht in der Lage, sich der Intensität von Geräuschhaftigkeit, dem Atemrhythmus der Instrumente, der lastenden Stille und Langsamkeit über 95 Minuten auszusetzen; sie entziehen sich dem Sciarrino-Ideal des "Publikums als einer Person". Die Verbleibenden changieren zwischen Neugier und Faszinosum. Sympathisch-intensiver Beifall am Schluss. Zu bemängeln: die viel zu kleine, unlesbare Schrift der Übertitel und der fehlende Text im ansonsten hochinformativen Programm-Leporello. (frs)
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