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Widersprüchlich
Das Kollagenhafte der Zauberflöte war für den Regisseur Peter Konwitschny
ein wesentliches Element, das er in seiner Neuinszenierung deutlich herausstellt.
Die Widersprüchlichkeit in den Charakteren hat ihn gereizt, die Personen
realistisch zu zeigen, nicht märchenhaft überhöht. Eine Entzauberung hat
stattgefunden: Konwitschny zeigt Tamino (Johan Weigel) als draufgängerisch,
unbedarft, von sich überzeugt und letztendlich ziemlich unsympathisch,
da ohne tiefe Empfindung.
Die Bildnisarie wird zur Lachnummer durch die Videoeinspielung der Hochzeitsbilder
von Diana und Charles, auf deren Gesichter die der Solisten montiert sind
- die erste Vergewaltigung von Mozarts Musik an diesem Abend. Pamina ist
ein resolutes Mädel im Tank-Top, die sich recht gut zu wehren weiß und
von Tamino nicht wirklich viel hält, doch durch Alexandra Reinprechts
Interpretation berührt diese Figur am stärksten.
Alle Protagonisten scheinen in ein Regiekorsett gezwängt, das für Mozarts
musikalische "Sentimentalitäten" nichts übrig hat. Die Königin der Nacht
als abgewrackte Säuferin im Glitzerkleid zu zeigen, die zu hysterischen
Anfällen neigt, ermöglicht eine psychologisch interessante Perspektive,
und zum Glück singt Barbara Baier die Koloraturen präzise und wahrt so
die Würde der Figur. Gelungen sind die Auftritte der drei Damen (Karine
Babajanian, Maria Theresa Ullrich, Helene Ranada) als Stewardessen, die
Idee, die drei Knaben in jedem Auftritt neu zu besetzen (erst als Sängerknaben,
dann als Zimmermädchen und zuletzt als Putzfrauen), oder Papagena in den
gesprochen Auftritten wirklich mit einer alten Schauspielerin zu besetzen.
Auch die letzte große Szene Papagenos (Rudolf Rosen) als Entertainer im
rosa Trikot vor dem Show- Publikum des Chores ist eine willkommene Abwechslung
nach der langen Bespielung des Glitzervorhanges im zweiten Teil mit den
Szenen der Eingeweihten und Sarastros (Attila Jun), deren synchron-übersetzter
Dialog sowohl unverständlich als auch zu lang ist.
Der Bühnen- und Kostümbildner Bert Neumann hat den Fokus des Regisseurs
auf die Personen durch Reduzierung der Requisiten und Weglassen von bebildernden
Bühnenelementen voll unterstützt. Ein Orientteppich dient sowohl als Schlange
als auch als Spielwiese des Geschehens, die drei Pforten sind klapprige
hereingerollte Holzkonstruktionen und der besagte Glitzervorhang wird
ausgiebig bespielt. Außerdem werden ja noch einige Videos projiziert,
zum Beispiel Weltraummotive, der Lebensweg eines Mannes von der Geburt
an oder Pin-ups zum Duett "Bewahret euch vor Weibertücken" (Filmregie
Philip Bußmann).
Alle diese Bemühungen um ein neues, bloß nicht langweiliges Bühnengeschehen
haben den großen Nachteil, dass die Musik zu stark in den Hintergrund
gedrängt wird, nur als Klangteppich für szenische Interpretation dient
und nicht mehr wirklich berührt. Das Staatsorchester unter Lothar Zagrosek
spielt sauber und macht brav alle Mätzchen mit, aber der musikalische
Eindruck bleibt blass, sogar bisweilen lieblos (Bildnisarie, Terzett "Soll
ich dich, Teurer nicht mehr seh´n). Der Chor dagegen klingt phantastisch
und beschert neben den Ensembles der Solisten die akustischen Glücksmomente.
Erstaunlich, dass man das Opernpublikum heute wirklich durch rammelnde
Stofftierchen zum Lachen bringen kann, aber in Stuttgart wurden die zahlreichen
Fingerzeige unter die Gürtellinie verstanden und für witzig befunden,
auch kommentierende Einwürfe während Arien oder an den Dirigenten hatten
tatsächlich Unterhaltungswert für einige Zuschauer. Die Ausführenden wurden
wohlwollend beklatscht, doch waren auch Stimmen des Bedauerns von zu kurz
gekommenen Mozart-Fans zu hören. (if) |
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