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Unübersichtlichkeiten
Phänomenal: Stuttgarter Produktionen stehen für "modernes Musiktheater"
- bei Mozarts "Figaro" in einer aktuell-innovativen Sicht der Dinge. Nigel
Lowery vermischt die Zeiten - vorrevolutionär um 1780, aktuell um 2000
- zeigt die Unübersichtlichkeiten der Auseinandersetzungen zwischen den
"Ständen" und den entsprechend handelnden Individuen: permanent überraschend
reagierende Protagonisten konfrontieren die Zuschauer mit irritierenden
Analogien.
Seine Bühne wechselt entsprechend von gleichen Interieurs (Küchenzeile,
Sitzecken) zu divergierenden Fenster-Ausblicken (Hinterhof beim "Personal",
Parkgarten bei den "Adligen" - eine kommunikativ permanent nachvollziehbare
Lösung, umgesetzt durch emotionale Widersprüche von Realität und Ausblick.
Am Ende: Jubel der Paare, loderndes Feuer hinter dem Fenster, das starres
Reagieren provoziert.
Das Staatsorchester Stuttgart intoniert unter dem aufmerksam dirigierenden
Roy Goodman einen brillant-differenzierten Mozartklang: durchaus emotional-bewegend,
aber weitab vom betulichen Klischee.
Karine Babajanian ist die verletzte Gräfin, aber auch die getäuschte Rosina,
singt alle Nuancen getäuschten Vertrauens und gebliebenen Widerstands
mit hinreißender Gefühlskraft. Dagegen bleibt der standes- und gefühlsirritierte
Graf von Markus Brück relativ eindimensional, während Catriona Smith und
der szenebeherrschende Hernan Itturalde als Susanna und Figaro permanent
ihre differenzierten Bewusstseinslagen virtuos darstellerisch-stimmlich
umsetzen. Glanzpunkte: Maria Theresa Ullrich als androgyner Cherubino,
Monique Simon als aggressiv-selbstbewusste Marcellina. Das übrige Stuttgarter
Ensemble präsentiert sich auf "Weltniveau"!
Im Stuttgarter Opernhaus versammelt sich ein höchst differenziertes Publikum:
doch die Connaisseurs werden offenbar genauso erreicht wie die schwäbischen
Bildungsbürger und Neugierigen aus dem eher innovationsresistenten Umland.
Respekt vor den exeptionellen Leistungen und offensichtlicher Stolz über
das "eigene" Haus bestimmen die zustimmend-dichte Atmosphäre. (frs)
Karten unter (0711) 20 20 90 |
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