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Fakten zur Aufführung 

DON GIOVANNI
(Wolfgang A. Mozart)
11. Oktober 2002


Staatsoper Stuttgart


PROJEKTIONEN



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Drastisch-psychoanalytisch geht Hans Neuenfels den "Giovanni" an: aggressiv-brutal ist der "Frauenheld", raffiniert-verführerisch agiert der "Bel Ami", Angst zeigt der verzagende Macho durchaus - aber auf der Stuttgarter Bühne ist er im wesentlichen eine Projektion der Wünsche und Ängste der übrigen Protagonisten. Neuenfels betont Körperlichkeit und spielt mit den theatralen Mitteln - aber à la long gerät das alles zur Bebilderung psychoanlaytischer Thesen.

Reinhard von der Thannen versetzt die Szene in eine Stierkampfarena mit stimulierenden Accessoires, provoziert so die Atmosphäre dampfender Sexualität und gibt Gelegenheit zu atremraubenden erotischen Wirrungen.

Doch die Produktion gewinnt ihre exzeptionelle Dimension durch Lothar Zagroseks musikalische Umsetzung mit dem hinreißenden Staatsorchester Stuttgart: Vom ersten Donnerschlag der Ouvertüre, über eine überwältigende Farbigkeit der verstörenden Personen-Charakteristiken bis zur genial-karikierenden Schlusspassage fasziniert die lustvoll-hörbare Suche nach der musikalisch-vermittelten "Wahrheit" in der Partitur!

Diese Ambivalenz des "Amoklaufs" (Neuenfels) wird durch sensationell agierende, interpretierende, intonierende und phrasierende Solisten atemraubend hinreißende Bühnenrealität. Rudolf Rosens Giovanni besticht durch Geschmeidigkeit in Darstellung und Stimme; Hernan Itturalde verleiht dem Leporello mehr als gängiges Adlatus-Profil - schleimig-selbstbewusst, erotisch aktiv, souverän in der stimmlichen Vermittlung; Norman Shankles Ottavio wird zum zweifelnden Gegenbild Giovannis mit ungemein ausdrucksvollem Tenor, ohne lyrische Larmoyanz; Peter Kailinger singt den looser Masetto mit voller Hingabe. Und dann die Frauen! Eva-Maria Westbroeks Anna rührt mit weichem Sopran, vermittelt aber auch kraftvollen Willen zum Kampf; die Elvira - gespalten in Rache und Hingebung - von Martina Serafin ist ein absolutes highlight, sie beherrscht die Bühne, enthusiasmiert mit glänzenden Koloraturen das Publikum; und schließlich die Zerlina: Helga Ros Indridadottirs: gar nicht "niedlich", als von Giovanni geschändete Frau eine tragische Figur, erbarmend gezeichnet, zwischen Lieblichkeit und Leid stimmlich präsent. Attila Juns schließlich besticht durch sonoren Bass, elektro-akustische Verstärkungen sind überflüssig.

Die opernhaft-festlich gestimmten Besucher der Stuttgarter Oper wissen um das Renommee ihres Hauses; für die meisten steht ein gesellschaftliches Ereignis an. Eine leidenschaftliche Auseinandersetzung mit Regiekonzept, musikalischer Innovation, konstruierendem Bühnenbild und irritierenden Rollenporträts war in den Pausengesprächen nicht zu hören. Ob allerdings diese außengesteuerte Akzeptanz Wirkungen in die schwäbische Region hat, bleibt offen. Schade auch, dass das Konzeptionsgespräch des Produktionsteams im überfrachteten Programmheft zumeist in blumig rätselhaften Formulierungen stecken bleibt und sich der konkreten Nachfrage verweigert. (frs)