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Fakten zur Aufführung 

EZIO
(Georg Friedrich Händel)
23. 5. 2009
(Premiere: 21.5. 2009)

Schwetzinger Festspiele


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Spiele der Macht

Das System kreist um sich selbst. Der Cäsar hat Angst um seine Macht, er ist umstellt von Freunden, die seine Feinde sind. Offene und verdeckte Rechnungen sind zu begleichen, denn der Tyrann nimmt es mit den Menschenrechten nicht so genau. Damals wie heute, und immer wieder stellt sich der Konflikt zwischen Legalität und Legitimität. Das römische Reich dämmert seinem Ende entgegen, gerade noch hat der Kriegsmann Ezio die Hunnen zurückgeschlagen. Als Held kehrt er zurück, von Blut besudelt; Kampfstiefel, Stahlhelm, Army-Shirt und ein Kurzschwert sind seine Insignien, während die Hofhaltung bei Kaiser Valentiniano die Dekadenz offenbart: Frack und Fliege plus Lorbeerkranz, den eigentlich alle Hofschranzen sich aufs Haupt setzen wollten, gehören zur Ausstattung. Der Kaiser bewundert sich im Spiegel, den Triumph des Kriegshelden nimmt er als selbstverständlich hin, schließlich hat er mit Intrigenspiel und kruden Verschwörungen genug zu tun.

Doch der einzige, der zu ihm hält, gerät unter Verdacht, das Komplott geschmiedet zu haben: Ezio. Die ehrliche Haut, nur im Kriegshandwerk erfahren, scheitert an seiner Unfähigkeit, die Spiele der Macht zu durchschauen. Zumal Fulvia, seine schöne Verlobte, in den Strudel der Kamarilla hineingerät. Na ja, wie das halt so ist, in einer Opera seria von Georg Friedrich Händel. Am Ende geht es noch einmal gut, weil in der Barockoper der Machthaber als gütiger Herrscher dargestellt wird, bereit zu Milde und Hochherzigkeit. Der Absolutismus dämmert ebenfalls seinem Ende entgegen, frühe Vorboten der Aufklärung durchwehen auch Metastasios librettistische Dichtkunst.

Also, ran an den Ezio bei den Schwetzinger Festspielen im Rokokotheater. Günter Krämer, der an selbigem Ort vor zwei Jahren für den Mannheimer Mozartsommer eine wunderbare Lucio Silla-Sicht entwickelt hatte, wird heuer ein bisschen Opfer einer plakativen Aktualisierungslust. Knallhart geht es zu, wenn Bushs Wasserfolter bühnenwirksam eingesetzt wird; ein Kurzrohr-Panzer in Originalgröße (Bühne: Jürgen Bäckmann) suggeriert, dass Ezio gerade aus dem Irak oder Afghanistan heimgekehrt ist. Der Hofstaat tänzelt, rhythmisch zur Musik immerhin, die Soldateska muss an der Ballettstange so lange exerzieren, bis ihr die Puste ebenso wie die Treue zu Ezio ausgeht. Ja, man kriegt jeden klein, wenn man es darauf anlegt.

Doch in den Äußerlichkeiten bleibt das Drama leicht unterbelichtet, werden die Binnenkonflikte etwa zwischen Fulvia und ihrem Herrn Papa, dem meuchlerischen Massimo, der alles andere als der Größte ist, über den Leisten vordergründiger Effekte geschlagen. Auch Valentiniano wirkt unkonturiert, obwohl die Regie dieser Hosenrolle (Rosa Bove mit rau timbriertem Alt) einen Tänzer (Witalij Kühne in kunstvoller Gekünsteltheit) als Alter Ego beigibt. Musiziert wird vom „kammerorchesterbasel“ unter Attilio Cremonesi in affektiver Manier, mit aller Power und griffigen Konturen, die aus der barocken Partitur herauszulesen sind. Die Hauptfigur Ezio ist mit dem Counter Yosemeh Adjei ausgezeichnet besetzt; er agiert kraftvoll und hat für seine Partiegestaltung abgründige Registervielfalt anzubieten, die weit über das übliche Countertenor-Schema hinausgeht. Ein Sänger, der sich von Jahr zu Jahr steigert. Auch die Figur Fulvia wird von Netta Or heftig ausgereizt, wenn ihr Sopran zu zerklüfteter Leidenschaft bis hin zu schrundiger Patina ansetzt. Papa Massimo hingegen bleibt sängerisch blass (Donát Havar). Sehr solide, weil mit gutem Material ausgestattet, singt Hilke Anderson die Onoria, des Kaisers selbstbewusste Schwester. Und der schlank-stolze, ausgezeichnet geführte Bass von Marcell Bakonyi nimmt als Varus für sich ein.

Am Ende wird mit Kreideschrift der eiserne Vorhang, auf dem vorher die Namen der Hingerichteten gehässig prunkten, mit den Worten „Und wenn sie nicht gestorben sind“ verziert, auch dürfen die Protagonisten dann blütenweiße Fräcke (Kostüme: Falk Bauer) tragen, und das Genre hat sich selbst ein bisschen veralbert. Also: Wasserfolter war nicht wirklich, und der Panzer aus Pappe oder Styropor.

Eckhard Britsch