Obskure Belagerung
Sandsack-bestückte Unterstände versus heimeliger Wohnküche, masken-verhüllte Untergrundkämpfer, ein smarter Prokonsul, ein besorgtes Hausmütterchen: So präsentiert Rupert Lummer seine Sicht auf Bellinis Norma. Höhepunkt: Norma richtet den Frühstückstisch – „das ist das Ende des Rituals“ – zur Casta Diva-Arie: Knallhart verfehlt der Regisseur den Mythos des Stücks.
Er hat in Rainer Sellmaier einen ebenso verzweifelt nach Aktualisierung suchenden Partner, der offensichtlich zu oft Al Dschasirah geguckt hat - und den Konflikt zwischen Besiegten und Eroberern platt illustriert. Das trifft weder die Norma-Dramatik noch die verzweifelte Situation in Palästina heute.
Regie und Bühne stehen für ein Desaster dekonstruierenden Musiktheaters – oberflächlich konkretisierend, ohne Sensus für die historische Konstellation, ohne Respekt für das Leiden der Menschen und weit weg von den existenziellen Problemen - fahrlässiger Umgang mit epochalen Konflikten!
Georgios Vranos dirigiert das Philharmonische Orchester Regensburg zu einem konventionellen Bellini-Klang, betont die knalligen Passagen im Stil italienischer Unterhaltungs-Orchester, verzichtet auf ansatzloses Spiel und versagt sich melodiöser Ausgewogenheit.
Mit Alexandru Badea ist ein brutal forcierender Pollione zu hören, mit Martin-Jan Nijhof ein souverän artikulierender Orovese. Anna Peshes gibt der Adalgisa intensiv-warmen Ausdruck, nutzt die Vorgaben zu differenziertem Gesang mit beeindruckenden Kantilenen, sicher in den Höhen und überzeugend-kommunikativ in der vollendeten Mittellage. Christina Lamberti ist eine stimmlich gestaltungssichere Norma – mit eindrucksvoller Interpretationskraft, weicher Emotionalität, überzeugend in den gebrochenen Gefühlen: ein bemerkenswerter Sopran ohne Schärfen, sicher im Registerwechsel, leuchtend in den Höhen.
Die Regensburger Sänger-Solisten überzeugen auch in den „kleinen“ Rollen, und der Chor vermittelt wünschenswert-perfekten kollektiven Gesang – ohne allerdings interpretierende Akzente zu setzen.
Dem Publikum im wunderbar historisierenden Regensburger Theater am Bismarckplatz genießt Musik und Gesang wie ein „Wunschkonzert“ – lassen sich von optischen Eindrücken nicht irritieren. Schade um die verpasste Chance. (frs) |