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Fakten zur Aufführung 

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
(Richard Wagner)
23. September 2005 (Premiere)

Theater Regensburg

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Verkannte Archetypen

Zur Spielzeiteröffnung am Theater Regensburg wird aus Richard Wagners Holländer wirklich ein fliegender Holländer. Dazu hat ihn der tschechische Regisseur Jiří Nekvasil ins Superman-Kostüm gesteckt. Senta, die stets im Brautkleid auftritt, hat sich in diesen Übermann aus ihren Comics verliebt. Moderne Mythen will Nekvasil entdeckt haben, die Holländergeschichte mit Archetypen unserer Zeit erzählen. Funktioniert das? Es funktioniert leidlich, aber es erklärt wenig, denn die alte Geschichte ist zwar aufgetüncht, doch nicht wirklich interpretiert worden. Nekvasils Ausstatter Daniel Dvořák hat als Aktionsraum statt eines Schiffes das Dach eines Hotels namens „Schiff’s“ geschaffen, das inmitten eines Meeres aus Wolkenkratzern aufragt.

Die Bildsprache mag überraschend, manchmal sogar provozierend sein, die Personenregie jedoch bleibt oberflächlich. Nekvasil tritt in eine ähnliche Falle wie unlängst Doris Dörrie in München. Auch sie wollte heutige Film-Mythen auf eine Oper projizieren und schickte Rigoletto auf den Planeten der Affen. Leider blieb das Ganze die peinlich schlecht erzählte bekannte Geschichte. Gleiches in Regensburg. Mit den Archetypen nimmt es Nekvasil nicht so genau. Auf den ersten Blick betrachtet, ist der Holländer vielleicht eine Art Superman, aber doch ein düsterer, ein zerstörter und zerstörender. Der blaurote Superman in Leggins steht jedoch für einen philanthropischen Modellmann mit übermenschlichen Qualitäten, in moralischer und körperlicher Hinsicht. So arbeitet das Konzept gegen sich selbst.

Zudem hatte das Theater Pech, an diesem Abend stand schon der dritte Sänger des Holländers auf der Bühne. Hausbesetzung und erste Aushilfe hatten abgesagt. Theodor Carlson aus Weimar sprang erst drei Stunden vor der Aufführung ein und es schien, als habe er den Schock, in ein enges Superman-Outfit passen zu müssen, nicht verwinden können. Sein Singen und Agieren war distanziert bis teilnahmslos. Entäußerung oder Wut wie man sie vom Monolog des Holländer erwartet, ließ sein undeutlicher Bariton nicht hören. Die Senta von Gail Sullivan sang ihn gnadenlos an die Wand. Zwar verstand man auch bei ihr kaum ein Wort, aber dieser hochdramatischen, durchschlagenden Stimme will man das nachsehen. Ihre Leistung war konkurrenzlos, denn Martin-Jan Nijhof gestaltete Daland mit Buchhaltercharme und blasser, zu junger Stimme. Einen guten Eindruck hinterließ hingegen der belcanteske Steuermann von Brent L. Damkier. Schönes Stimmmaterial besitzt auch Ünüsan Kuloglu, der den Erik als Cowboy gab. Den Wechsel aus dem Bariton- ins Heldentenorfach vollzog der Türke aber erst vor einem knappen Jahr, entsprechend fehlt es ihm noch an Höhensicherheit.

Hohe Erwartungen wurden auf Raoul Grüneis, den neuen GMD gesetzt. Er stürmte mit dem Philharmonischen Orchester durch die roh behauene Ouvertüre und auch die soliden Chöre peitschte Grüneis an. Ganz mochte sich der Eindruck des ungewollt Disparaten aber noch nicht verflüchtigen, zu wenig homogen gelangen die Schnitte. Doch man merkt, dass hier eine neue Führung beherzt alte Muster aufreißt. Außerdem ist Grüneis ein Balsam für die Sänger, denen er das Orchester unterzuordnen versteht. Man sollte in wenigen Wochen noch einmal in diesen Holländer hineinhören.

Das Publikum nahm die Premiere ohne Enthusiasmus auf, abgesehen von einigen jungen Damen, die im 3. Rang ihren ersten Opernabend mit Ovationen und Kreischen für alles und jeden feierten. (tv)