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Banalitäten unterm Heiligenhimmel
Was macht eine gelungene Inszenierung aus? Wahrscheinlich sollte sie den
Nachdenkenden ebenso zufriedenstellen wie den Genießer. Am Theater Regensburg
bietet Verdis "Don Carlos" allenfalls etwas für die visuellen Genießer,
wenig aber für denjenigen, dem eine brave Schilderung der Handlung nicht
ausreicht.
Regisseur Ernö Weil und Ausstatterin Dorin Knoll überschatten das durch
schwarze Kostüme mit viel Tüll in dunkle Farben getauchte Geschehen auf
der schrägen Bühne mit einem halbtransparenten nach hinten abfallenden
Heiligenhimmel, der sich öffnet um König und Großinquisitor auftreten
zu lassen. Dieser Himmel droht mit ständiger Präsenz die Macht der Kirche
an, ohne dass diese Bedrohung in Weils Interpretation fühlbar gemacht
wäre. Es mangelt an Einfällen, die wahre Empfindungen vermitteln. Weder
die Freundschaft zwischen Carlos und Posa, die Liebe zwischen Carlos und
Elisabeth noch die Eifersucht der Eboli waren glaubwürdig. Nur die Gestalt
Philipps hatte durch den düster, verzweifelt agierenden Jóhann Smári Saevarsson
echte Präsenz. Sonst gab es ausladende, kuriose Operngesten, deren man
nach Minuten überdrüssig ist.
Auch mit dem Chor hat Weil schon vielseitiger gearbeitet. In der Ketzerszene
(vom Dirigenten seltsam langsam angegangen) wird minutenlang wie im Park
gelustwandelt. Diese Banalität konnte nicht erschüttern, da ihr der Bezugspunkt
- das Elend der Verurteilten - fehlte. Man mag die Verbrennung eines Kreuzes
am Ende der Szene als Symbol für die Opferung des Sohnes durch den Vater
(Jesus - Gott, Carlos - Phillip) deuten, in der symbolisch kaum belasteten
Inszenierung wirkt dies aber gleichsam als Ketzerei und damit als beißender
Widerspruch.
Sängerisch stechen Adam Kruzel (Posa) und Gail Sullivan (Elisabeth) heraus.
Beide verfügen über große Stimmen, kraftvoll, stabil und tragfähig. Jedoch
verloren Kruzels leise Töne an Klangvolumen. Sullivan neigte zum Tremolo.
Saevarsson legte mit rundem, vollem Ton in der anrührenden Klagearie Philipps
ein überzeugendes Zeugnis seiner Gestaltungsfähigkeit ab. Mehr davon!
Carola Guber (Eboli) profilierte sich im dramatischen Gestus der Abrittsarie,
während sie anfangs stimmlichen Sexappeal vermissen ließ. Juuso Hemminiki
gebührt Respekt sich den großen Schuh des Carlos angezogen zu haben, wenngleich
mancher Linie die Homogenität fehlte und das Forte erheblicher Kraft bedarf.
Die Leitung von Guido Johannes Rumstadt konnte nicht verhindern, dass
gerade der Chor gelegentlich aus dem Tritt geriet. Rumstadt ließ das Blech
auftrumpfen, das den schmalbrüstigen Streicherklang bisweilen vollkommen
erschlug.
Regensburg klatschte dieser Spielzeiteröffnung begeistert Beifall. (tv) |
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