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Die Ruhrfestspiele besannen sich in
diesem Jahr als Europäisches Theaterfestival wieder auf die Oper. Hansgünter
Heyme gelang es vom Maggio Musicale Fiorentiono Luca Ronconis ingeniöse
"L'Incoronazione di Poppea" Monteverdis mit Ivor Baltons authentischer
musikalischen Interpretation zu gewinnen. Zu erleben war eine faszinierend
artifizielle Umsetzung barocker Opern-Realität. Neben zwei Violinen, je
einer Viola, einem Cello und Bass bilden zwei Flöten den orchestralen
Hintergrund für Orgel, Cembalo, Gitarre, Laute und Viola da Gamba; das
perfekt einfühlsame Zusammenspiel gibt einen Klang voller Individualität
und - angedeuteten - Gefühls. Ivor Bolton gelingt es, Dynamik zu steuern,
Tempo zu variieren und das Bühnengeschehen intensiv zu interpretieren.
Das Ensemble des Maggio Musicale agiert hoch sensibel, Körperlichkeit
stilisierend und sängerisch äußerst distinguiert. Veronica Cangemi differenziert
eine liebeshungrige Poppea mit höchster Delikatesse im Auskosten der stimmlichen
Möglichkeiten. Dem Nero Gabriella Sborgis hätte etwas mehr Power in der
Intonation gut getan; doch gelang Giorgio Surian ein Seneca derart kraftvoll-volltönend,
dass niemals der Einruck des verunsicherten Philosophen entstand. Als
Amore brillierte Stefania Donzelli; Monica Bacelli zelebrierte Ottavias
Lamento voller Leiden mit bezwingendem Legato. Als Drusilla setzte Laura
Cherici ein wunderschön klingendes Timbre, während der Ottone des Countertenors
Michael Chance über gewohnte Effekte des nostalgischen Singens nicht hinauswies.
Als Lesart des Geschehens bieten sich die Trümmer von Cinecitta an (Bühne
mit variablen Säulenresten, modernen Accessoires wie Autos, Filmstaffage:
Margherita Palli), in dem sich eine alte Liebesgeschichte unter den Augen
beobachtender ragazzi von heute abspielt: Realität wird aufgehoben in
aktuell-beobachtenden Blick. Ob die zeitlosen Formen der Erotik in der
artifiziellen Präsentation einen Beitrag zur Entdämonisierung des historischen
Verbrechens leisten: wer weiß .
Doch es verblüfft schon, wenn am Schluss Nero und Poppea ihr "sinniges"
Duett zum Ruhme Amors vor dem Vorhang singen: der Zerstörer Roms als liebesseliger
softy? Es darf nachgefragt werden - vor allem bei einem engagierten Festival
unter dem konsequenten Anspruch "Fremden-Liebe". (frs) |
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