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Klassenkampf-Dialektik
Eine bizarre Situation: Gegründet werden soll die D-GO, die Gewerkschafts-Organisation
auf Aktienbasis. Die Szene: Eine Präsentation mit Motivationsklängen aus
alten Tagen und den damit verbundenen "schönen Liedern", der Arbeiterhymne,
der Internationale, Nationalhymnen - alles auf der Suche nach dem D-GO
"audio branding".
Kathrin Angerer moderiert im leicht näselnden Agitationsstil der siebziger
Jahre mit den Phrasen des shareholder value.
Christian von Borries dirigiert drei Chöre, hingelagert auf der großen
Bühne, den Knappenchor Bergwerk Consolidation, den Städtischen Chor Recklinghausen,
den Börsenchor Wuppertal, gekonnt verfremdend, Klänge auskostend und abbrechend.
Dazu gibt es einige satirische Video-Einblendungen, good will-Aufklärung,
scheiternd am dilettierenden Professionalismus.
Ganz unironisch formuliert: ein Beweis für die Vielfalt einer regional
spezifischen "Chor-Kultur", die auch mit außergewöhnlichen Aufgaben zurecht
kommt. Das experimentierfreudige Swinging Brass-Ensemble begleitet gut
aufgelegt, genießt die Ambivalenz pathetischer Klänge.
Das Publikum ist mit D-GO Winkelelementen ausgestattet, applaudiert in
Erinnerung an "solidarische Zeiten", protestiert bei verballhornenden
Parolen ("Weg mit dem 1. Mai", "Erwerbsverweigerung"), lässt aber die
Szene nicht zum Tribunal werden. Die "Dialektik des Klassenkampfs" will
nicht umkippen in leidenschaftliches Pro und Contra, alles bleibt Theater.
Doch: La lotta continua - wie schön! (frs) |
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