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Überladene Zeit
Der Rosenkavalier ist eines jener Stücke, die sich hartnäckig "Modernisierungen"
verschließen. Wenige tasten an die plüschige Wiener Rokokowelt. In Passau
lässt Regisseur und Intendant Stefan Tilch die Silberrose gleich im ersten
Akt zerschmettern, macht Degen zu Rasiermessern und den italienischen
Tenor zum Faktotum aller Akte. Sein Hauptthema aber ist die vergehende
Zeit. Klar, dass die Marschallin, die sich schmerzhaft ihrer in die Jahre
gekommenen Attraktivität bewusst wird, ins Zentrum dieser Sicht tritt.
Ihr schafft Ausstatter Charles Cusick-Smith Räume mit bombenversehrten
Wänden, die von einer riesigen Uhr überschattet werden. In Mitten ein
käfigartiges Bett, dessen äußere Form in allen Akten erkennbar bleibt.
Durch die Kostüme, die Rokoko, Elvis und Ottokatalog mischen, wird versucht
das Stück ins zeitlos Gültige zu rücken.
In diesem Ambiente, das graue Herren à la Momo bevölkern, wird der erste
Akt zum Alptraumszenario für die Marschallin (überragend: Kathrin Bechstein).
Der Focus auf die zentrale Gestalt ist jedoch so stark, dass das Konzept
den zweiten und dritten Akt nicht tragen kann. Die szenische Absenz der
Marschallin macht die Inszenierung überladen, bedeutungsschwer und undurchschaubar.
Die blumengeschmückten Bomben bei Faninals wirken gegenwärtig als banal
willkürliche Moralkeule.
Neben der Marschallin konnte sich Stefanie Rhaue als Octavian in jeder
Hinsicht voll überzeugend in Szene setzen. Gelungen auch die stimmlich
agile Darstellung des Ochs durch Markus Marquart, einzig in der Tiefe
fehlte es ihm an Substanz. Die Sophie von Elizabeth Immermann klang zu
kindlich, die Höhen gerieten arg dünn. Von den Nebenrollen verdient der
diabolische Mezzo von Monika Rebholz lobende Erwähnung.
Basil H. Coleman führte den Taktstock mit Verve, ohne die Partitur von
einer neuen Seite zu präsentieren. Leider konnte er nicht verhindern,
dass sich in den ausgedünnten Streichern allzu häufig Unsauberkeiten einstellten.
Die Passauer schienen vorbehaltlos glücklich, wieder einen Rosenkavalier
in ihrem entzückenden Barocktheater zu haben. Ovationen für alle Beteiligten.
(tv) |
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