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Erschütterndes Cosi fan tutte
Im Opernhaus Passau lässt die stringente Regie von Roland Schwab keinen
Zweifel daran, dass der deutsche Titel von Brittens "Der Raub der Lukrezia"
ein Understatement gegenüber dem englischen "The Rape (Schändung, Vergewaltigung)
of Lucretia" ist. In diesem Gleichnis der Gewalt sind Männer skrupellose
Machtmenschen: Yuppies in dunklem Anzug, mit Sonnenbrille, Aktentasche
und Golfschläger im Anschlag. Frauen sind Huren im Dominalook oder grotesk
unschuldige Weibchen in strahlendem Weiß. Doch ganz eindeutig trennt Schwab
nicht zwischen Opfer und Täter. Zu Brittens schwebender "Gute-Nacht-Szene"
am Ende des ersten Aktes inszeniert er ein prickelndes Spiel der Verführung;
Lukrezia und ihre Dienerinnen erliegen fast dem Reiz des Peinigers. In
diesem bitter ernsten Cosi fan tutte können sich seine Komplizen ihrer
Verantwortung nicht entziehen; Lukrezia wird Opfer auch ihres eigenen
Mannes. Schwab löst damit ihren Suizid aus dem christlichen Kontext von
Scham und Keuschheit der Erzähler heraus, macht ihn zu einem zwingenden
"menschlichen" Akt.
Die Bühne von Karin Fritz unterlegt die Gewaltorgie nicht immer glücklich
mit einem zeit- und ortslosen Silbergrau schräger Flächen und Stäbe, die
ab dem zweiten Bild ein darin versenktes Orchideenbeet einrahmen.
Piotr Rafalko und Annabelle Pichler sind eindrückliche Erzähler. Während
Pichler mit starkem und dunkel timbrierten Sopran überzeugen kann, neigt
Rafalko zum Forcieren und Anschluchzen hoher Töne. Das brachiale Auftreten
der drei männlichen Protagonisten, Collatinus (Marcus Pelz), Junius (Peter
Tilch) und Tarquinius (Christophe Duringer) übertrug sich leider auch
auf die Stimmen: stimmlich fest in der Deklamation und ungenau in den
Kantilenen, boten sie erst im zweiten Akt eine gute Vorstellung. Herausragend
die Lukrezia von Elizabeth Immelmann, die vibratoreich alle Emotionen
der Titelfigur auszudrücken vermochte.
Die musikalische Leitung von Guido Klaus wurde klanglich vor allem den
labilen Stimmungen gerecht, praktizierte keinen sezierenden Spaltklang,
sondern stellte das sinnliche Moment heraus.
Überraschend zahlreich war das Publikum in diese x-te Vorstellung in die
Provinz gekommen, dabei schienen die allermeisten gewusst zu haben, was
sie erwartete. Der kräftige Applaus sei mein Zeuge. (tv) |
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