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Fakten zur Aufführung 

OTELLO
(Giuseppe Verdi)
29. September 2007 (Premiere)


Theater Osnabrück

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Musik im Spannungsfeld zwischen Explosion und Zärtlichkeit

Im Hause Gottes sind viele Wohnungen – zumal für ein von Krieg bedrohtes Volk. Und so kauern die Menschen unter der Vierung einer Kirche zusammen - ein dunkles Gewölbe, spärlich beleuchtet von den Kerzen im Chorraum. Endlich der befreiende Ruf: „Exsultate“! Otello hat die Feinde besiegt. Alles wird gut.

Nichts wird gut, denn am Ende von „Otello“, der Verdi-Oper, die jetzt in Osnabrück Premiere feierte, gibt es zwei Leichen und einige gebrochene Existenzen, allesamt Opfer eines Widerlings ersten Ranges: Jago. Ein Zerstörer um des Zerstören willens, einer, der sein intrigantes Spiel zur Perfektion treibt. Jaco Venter in dieser Rolle genießt geradezu all die Grässlichkeiten und bringt stimmlich eine Menge unterschiedlicher düsterer Farben mit. Die wirken zielsicher in Hirn und Gefühlsleben des Titelhelden, für den Carlos Moreno allerdings nur eines aufbietet: Kraft. Er ist ein Sänger, der im Grunde nur das Laute kann. Immer unter Strom, immer mit viel Druck singend, geht ihm alles Subtile, vor allem jegliches Piano ab - zwei Gäste am Osnabrücker Theater, die doch sehr unterschiedlich sind. Gespannt sein darf man da auf die alternative Besetzung des Otello: Ricardo Tamura, nach langer Zugehörigkeit zum Osnabrücker Haus, diesem seit dieser Spielzeit jedoch nur noch als Gast verpflichtet. Sein glänzender Turandot-Kalaf der letzten Saison weckt auch für den aktuellen Otello große Hoffnung.

Dagegen feiert Natalia Atamanchuk, langjähriges Ensemblemitglied, einen wirklich großen Erfolg. Mit Haut und Haar fühlt sie sich ein in das Hin- und Hergerissene ihrer Existenz, die doch eigentlich so schön hätte laufen können. Spätestens im vierten Akt wird ihr klar: das Ende ist unaufhaltsam! Desdemonas „Lied von dem Weidenbaum“ und, mehr noch, ihr „Ave Maria“ gehören zu den großen Momenten dieses „Otello“. Genauso wie Generalmusikdirektor Hermann Bäumer und sein Orchester. Das liefert einen Verdi-Klang von ungeheurer Energie, als ginge es darum, das „Dies irae“ des Requiems hinauszuposaunen. Blitzschnell strömt dann aber auch wieder eine unglaublich elektrisierende Zärtlichkeit aus dem Graben. Der Beginn des dritten Aktes etwa – einer von vielen Momenten, die unter die Haut gehen.

Der Kirchenraum (Bühne: Martin Fischer) bleibt der einzige Spielort dieser Inszenierung, mal mit, mal ohne Weihrauch. Holger Schultze, Osnabrücks Intendant, gibt mit Verdis „Otello“ sein Debut als Opernregisseur am eigenen Haus. Ganz viel Erfahrung hat er mit diesem Genre nicht, das merkt man. Er denkt viel vom Libretto her – sonst könnte man sich den Handlungsort auch kaum erklären. Dabei übersieht er, dass in Verdis Italien viel gebetet wurde – und weiß Gott nicht nur in der Kirche. Auch hat Schultze noch kein Händchen für Massenszenen: da gerät ihm vieles zu statisch, der Chor wird zu oft sich selbst überlassen. Auch agieren die Solisten mit abgedroschenen Operngesten oder ernten ungewollte Heiterkeitsausbrüche. So geschehen, als die von der Regie längst für tot ausgegebene Desdemona unvermittelt ihr „Ich sterbe schuldlos“ aushaucht. Bei Verdi dauert’s halt etwas mit dem Sterben. Dies muss ein Regisseur im Griff haben.

Das Premierenpublikum spürte: Dieser Osnabrücker „Otello“ lebt von der Musik. Riesenbeifall deshalb für Sänger und Orchester – freundlicher Applaus für das Regieteam. (cws)

 


Fotos: © Klaus Fröhlich