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Fakten zur Aufführung 

DEAD BEAT ESCAPEMENT
(Cecilie Ore)
19. Oktober 2008
(Uraufführung: 17. Oktober 2008)

Den Norske Opera Oslo


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Mutig: Musiktheater-Avantgarde in Oslo

Ein Käfig mit hermetischer Abschottung, darin dreizehn Männer in roter Sträflingsmontur: Tine Schwab baut eine beklemmende Bühne. Øyvind Jörgensen choreografiert mit sieben Tänzern und sechs Sängern in der Regie Hilde Andersens Interaktionen voller Aggression – kontrastiert lähmende Bewegungslosigkeit, irres autistisches Gestikulieren: Gemütszustände in Todesnot.

Artikuliert werden Texte der letzten Worte von Hinrichtungs-Kandidaten und deren Wünsche für die Henkersmahlzeit – Dokumente irrer Verzweiflung, von „Ich habe keinen Hunger“ bis zur aberwitzigen Häufung von Steaks, gebratenen Eiern und Vanilla-Cokes. Zur Apotheose werden über Mahalia Jacksons Silent Night die sieben letzte Worte Christi am Kreuz. Zusammengehalten werden diese Dokumente schier unerträglichen Wahnsinns durch einen Prolog mit einem englischen Kinderreim („Humpty Dumpty“) und einem Epilog mit Harold Pinters „Death“.

Cecilie Ore verzichtet auf jegliche traditionelle Komposition, erfindet vielmehr ein akustisches Szenario von Schmatzen, Schlürfen, röchelndem Atmen und heiseren Sirenen über im Raum verteilte Lautsprecher - und lässt die Sänger abgehackt singen, ihre Kopfstimmen einsetzen, schreien, brüllen, flüstern, wimmern – erfindet Vokalisen und Gesang höchster Expression.

Und die Tontechnik der Norske Opera beweist ihre bewundernswerte Kompetenz!

Thor Inge Falch, Espen Fegran, Svein Erik Sagbraten, Havard Stensvold, Yngve Andre Söberg und Per Andreas Tönder faszinieren in den so eruptiven Stimm-Exaltationen und sind offenbar Protagonisten eines neuen leidenschaftlichen Musiktheaters im kühlen Norden.

Neunzig beklemmend unendliche Minuten werden zum Manifest gegen die inhumane Todesstrafe und für eine tief empfundene Menschlichkeit. „Musikalisch“ ist das hoch innovativ, ein bemerkenswerter Beitrag zur alternativen Weiter-Entwicklung des Musiktheaters.

Dieses erste (!) aktuelle norwegische Musiktheater sollte an anderen Häusern nachgespielt werden!

Im technisch hoch perfekt ausgestatteten Kleinen Haus des großartig kommunikativen Opernhauses am Oslofjord – die Scene 2 – folgt ein hoch aufmerksames Publikum konzentriert dem Geschehen, den irritierend-emotionalisierenden Geräuschen und den extrovertierten Stimmen; doch gibt es auch den Wasserflaschen lutschenden Ignoranten und das Pärchen, das Silent Night als Aufforderung zum Kuscheln begreift, und einige offenbar emotional überforderte Besucher gehen. Am Ende lang anhaltender Applaus für das fantastische Ensemble. (frs)
 




Fotos: Erik Berg