Qualen der Zivilisierung
Tankred Dorst zeichnet in vielschichtigen Texten den Weg des autistischen Naturmenschen zum gescheiterten Gesellschaftswesen. Otto Beatus schafft dazu Saxophon-, Trompeten- und Horn-Klänge von archaischer Wucht, gesteigert durch den extremen Hall und die latenten Eigengeräusche des monumentalen Gasometers.
Johannes Lepper inszeniert die Ambivalenz von ungesteuerter Individualität, gesellschaftlichen Regelungen und metaphysischem „Überbau“ (der Gral) mit allen Mitteln, die dem phänomenalen Spielort abzugewinnen sind, incl. einer z.T. aufdringlichen Symbolik. Dazu gehört sicher nicht das mächtigste Foucaultsche Pendel aller Zeiten, um das sich das Spiel entwickelt.
Lautstarkes Sprechen mit Reaktion auf extreme Hall-Effekte, unterbrochen durch brachiale Geräusche sowie Einbeziehung der grandiosen Tribünen-Treppe und des beleuchteten Panorama-Fahrstuhls in die schier unendlichen Höhen der „Kathedrale der Arbeit“, bestimmen die Aktionen der Schauspieler: Jeff Zachs Parzival birst vor (vokaler) Kraft und zertrümmerndem Elend.
Die Zuschauer sitzen bei Eiseskälte auf der Plattform des unheizbaren Gasometers unter den rundum geführten Galerien und können die Leiden an der aufgezwungenen Zivilisation körperlich nachvollziehen. Die elementaren Eindrücke kommen an, Dorsts Texte bleiben weitgehend unverstanden – zu komplex bleibt der Duktus, zu heterogen einzelne Passagen. (frs)
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