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Leicht - sinniges
Placebo - auf diese von der heutigen Schulmedizin weidlich vernachlässigte
Selbstheilungskraft durch Einbildung baut auch Gaetano Donizettis ,Liebestrank'.
Was darin der etwas tollpatschig einfältige Nemorino vom Quacksalber Dulcamara
bekommt, ist eigentlich nur die Sicherheit der hundertprozentigen Erfolgsaussichten,
aber die wirkt, und wie.
Der Triumph des liebenden Naivlings ist ein sympathischer Zug dieser Oper,
der uns auch in der netten Inszenierung von Alexander Schulin, die an
diesem Abend nur gelegentlich noch mehr natürlichen Spielwitz vertragen
hätte können, erhalten bleibt. Die Bauern in leichtem (Unter)Hemd freuen
sich an den erotischen Tatsachen - viele hochhackige, schlanke Frauenbeine
zulaufend auf ein zu knappes Höschen - die im Bühnenbild von Markus Pysall
die gesamte Bühnenhöhe einnehmen. Hingegen die weiblichen Personen im
geblümten Sommerkleid weiden sich an der überbordenden Männlichkeit eines
Macho par excellence, Belcore, der seinen rohen Charme nach einem tiefen
Atemzug an seiner duftenden Achsel versprüht, was die Damen klischeehaft
aufquieken lässt.
All dies spielt sich ab in einem Hain großdimensionierter Feigenblätter
und Früchte, Symbole des sexuellen Begehrens aber auch des Verbergens
der Scham - ein Garten Eden. Doch "seid fruchtbar und mehret euch" ist
nicht Nemorinos Losung, seine Liebe zur Lebefrau Adina ist aufrichtig
unirdisch. Schulin lässt dementsprechend in ,Una furtiva lagrima' alle
sinnliche Symbolik verschwinden und taucht die leere Szene in überirdisches
Blau.
Treffsicher war die sängerische Leistung den szenischen Personencharakterisierungen
angepasst, was im Falle von Nemorino nicht glücklich stimmen konnte. Dariusz
Stachura mühte sich mit Intonationsproblemen und ineinander verlaufendem
Legato durch die Partie, die im Einzelton tenoral strahlen konnte, aber
insgesamt zu einheitlich blieb. Song-Hu Liu hatte es mit kraftstrotzender,
durchdringender Stimme leichter, dem eindimensionalen Belcore Gestalt
zu verleihen. Dies gelang ebenso überzeugend wie Bernd Hofmanns Darstellung
des Dulcamara. Zu einem schwitzenden, glatten Vertretertypen im weißen
Anzug, der über die Dummheit seiner Klientel eigentlich schon verzweifelt
ist, passte ein robustes Singen mit schwach dosiertem Witz und Raffinesse.
Umjubelter Star war Sabina von Walthers Adina mit vibratoreichem und tragfähigem
schönen Sopran.
Das Orchester unter Jens Georg Bachmann spielte erfrischend rasant, für
die Bühne nicht selten aber etwas zu laut. Das Klangbild wirkte im Gegensatz
zur weißhellen Bühne arg dunkel. Auch hat man die Nürnberger schon wesentlich
sauberer spielen hören.
Ein leicht - sinniger Abend, den das gut gefüllte Haus mit viel Applaus
quittierte (tv) |
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