Theater der Ursprünglichkeit
Neuburg an der Donau: bis zum 19. Jahrhundert ein Teil der Herrschaftsregimen „Pfalz“, deren Regenten in Düsseldorf und Mannheim zuhause waren. Heute eine Kleinstadt mit bemerkenswerter Altstadt und – am 22. Juli – mit Events einer etablierten Kulturstadt: am Donaukai ein Pop-Festival mit der Kultband „Silbermond“, im Schloss-Innenhof eine Nabucco-Aufführung und im historischen Stadttheater – klein, aber fein! – die Neuburger Kammeroper.
Peter von Winter ist ein richtiger Mozart-Zeitgenosse, hat für Schikaneder 1797 die Zauberflöten-Fortsetzung komponiert (Das Labyrinth) und hatte mit dem „Kampf der Geschlechter“ mit Bertatis Libretto 1795 Premiere im Prager Ständischen Nationaltheater – Ort der Don Giovanni-Uraufführung! „Ogus ossia Trionfo del Bel Sesso” changiert zwischen Singspiel, opera buffa, persiflierter opera seria und verweist auf die spätere romantische Oper. Der unverwüstliche Horst Vladar inszeniert stil- und ortsgerecht ein Theater der Ursprünglichkeit, präsentiert authentisches „Volkstheater“ im Schikaneder-Stil auf kleiner Bühne in einem atmosphärisch-dichten historischen Theaterraum. Vladar setzt aber auf komische Solo. Und Ensemble-Effekte, die in ihrer Präsentation die „großen“ Vorbilder respektvoll karikieren: die Finali, die Diven, die komischen Figuren à la Mozart: alles kunstvoll-gekonnt, ohne distanzierte Attitüde.
Ulrich Hüstebecks Bühne übernimmt die zeitgenössischen Elemente: Leporello-Wände mit räumlichen Illusionen, imaginierende Vorhänge – alles in fantasievollen Farben, allerdings ohne das Ingenium der dreidimensional-genialen Bühnenmalerei der Mozart- und späteren Rossini-Zeit; das bleibt dem brillanten Bühnenvorhang vorbehalten!
Antonietta Jona gibt Mara, die Fürstin des Frauenreichs Gynopolis mit Anklängen an die Königin der Nacht; ihre Vertraute Áshara wird durch Uta Wittekind „schelmisch“ verkörpert; Yvonne Steiners Gärtnerin Kunapipi erinnert an die Blonde in der „Entführung“. Dagegen steht der distanziert-martialische Ogus als Frauenhasser: Baram Gandje spielt einen Tartarenfürsten mit gebremsten Ton; Tye M. Thomas gibt den Adjutanten mit Naturburschen-Charme und prägnantem Bariton; das Neuburger Kammeroper-Ensemble vertritt die Konzeption mit sympathischer Kompetenz.
Überraschend, dass den Mitgliedern des Akademischen Orchesterverbandes München wohl die adäquate musikalische Begleitung unter Alois Rottenaicher gelingt, aber die Sensitivität der von Winter-Musik vermissen lässt. Die „Parodien“ entbehren des orchestralen Charmes und die schwebenden Klänge des Nachklassizismus wollen nicht hörbar werden.
Im intimen Theater sitzt ein gemischtes Publikum: die einheimisch-kundigen Freunde „ihrer“ Kammeroper, die angereist-kundig Versessenen auf neue Musik-Erlebnisse. Sie alle sind ausgezeichnet bedient, folgen enthusiasmiert und feiern alle Beteiligten. Eine beglückende Atmosphäre – wären da nicht die permanent blitzenden Didital-Kamera-Probierer, ignorante Rechte-Verletzer und Atmosphären-Störer: man sollte die drakonisch eliminieren! (frs)
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