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Grandiose junge Interpreten
Arzt und Scharlatan – diese unheilige Verbindung gab es vor Jahrhunderten massenweise. Auf Jahrmärkten traten solche Gauner auf, haben haufenweise Geld kassiert und im schlimmsten Fall ihre Patienten ins Jenseits befördert. Ganz so schlimm geht es in Charles Gounods Der Arzt wider Willen nicht zu, steht mit dem Hochstapler namens Sganarelle doch ein Typ im Mittelpunkt, der zum Schwindel quasi gezwungen wird. Gounods Komische Oper nach Molière feierte in Münster Premiere als Projekt Nummer Neun des Theaterjugendorchesters, das seit dem Jahr 2000 fester Bestandteil des Spielplan ist (weitere Informationen zum Theaterjugendprojekt finden Sie in der Besprechung der Produktion der letzten Spielzeit hier).
Doch es ist klar festzustellen: es hat in den zurückliegenden Jahren weit bessere und geeignetere Stücke gegeben als diesen doch ziemlich belanglosen Gounod. Der Stoff rund um eine vorgeblich stumme Hochzeitsbraut versprüht einen Charme aus längst vergangenen Zeiten, in der Ehemänner ihre Frauen noch prügeln und Väter ihren Töchtern das Heiraten verbieten durften. Aus den Kehlen ganz junger Sängerinnen und Sängern klingen die altbackenen, ja altväterlichen Texte ziemlich anachronistisch.
Dem hat Manfred Kaderks Regie nicht viel entgegenzusetzen. Er stellt eine Festtagstafel auf die Bühne - ansonsten ist viel Bewegung der Akteure, die aber weitgehend puppenhaft und mitunter zwanghaft witzig wirkt. Dramaturgische Längen sind Gounod vorzuwerfen – sie werden im Idealfall von den Vokalsolisten geschickt überspielt, etwa dort, wo der Arzt im Stile von Otto Waalkes seine Diagnose zu verdeutlichen sucht.
Dennoch ist dieser Premierenabend ein großartiger Erfolg. Für Josef Emanuel Pichler, der mit seinem schön fließenden Bariton den gaunerhaften „Arzt“ Sganarelle gibt; für Angelica Böttcher als seine rachsüchtige Frau. Da sind die beiden Diener, die den Medicus herbeizerren – Dae-Jin Kim mit noblem, noch ausbaufähigem Bass, Ralf Rachbauer mit strahlkräftigem, mühelos die Höhen treffendem Tenor. Julia Klein hat naturgemäß erst spät zu tun: als stumme Lucinde zwitschert sie ihre Töne äußerst lustvoll, aber halt erst gegen Schluss der Oper - doch Arian David Stettler darf sie mit seinem zarten, vielleicht noch viel zu zarten und schüchternen Tenor schon viel früher anbeten - als Geliebter, mit dem Lucindes Papa nun gar nicht einverstanden ist. Julian Schulzki verkörpert diesen Vater restlos überzeugend; Ruth Volperts dunkel timbrierter Mezzo lässt als Amme deutlich aufhorchen, Michael Wild ist der am Ende düpierte Möchtegern-Schwiegersohn.
Bei aller sängerischen Klasse: den allergrößten Beifall erntete das Theaterjugendorchester, das diesmal im Durchschnitt so jung war wie selten zuvor. Dirigent Peter Meiser konnte sich auf dieses Ensemble ganz und gar verlassen. Gounods Partitur ist alles andere als anspruchslos. Etliche Klippen sind da zu umschiffen – und immer wieder nackte Unisono-Stellen, die aufs Beste gelangen. Die ungeheure Arbeit von Sängern und Instrumentalisten während der Schulferien hat sich also wieder einmal voll gelohnt. Jetzt, nachdem der Premierenjubel verhallt ist, geht es an das Alltagsgeschäft, an die Repertoirevorstellungen Auch das gehört zum Theaterjugendorchester-Projekt, dem das konzentriert lauschende Premierenpublikum orkanartigen Beifall spendierte.
Christoph Schulte im Walde
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