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Fakten zur Aufführung 

SENJA
(Azio Corghi)
7. März 2003 (Uraufführung)


Städtische Bühnen Münster



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Brutale Konflikte
Von Franz R. Stuke

Anton Tschechows Szenen "Auf der Großen Straße" werden in einer Kneipen-Kirchen-Szene verortet: in der rückwärtigen verfallenen Kirchenarchitektur sitzt das Orchester (der Dirigent halblinks im "Off"), vor einem Gazevorhang die Kneipe mit einer Ansammlung kaputter Typen.

Dietrich Hilsdorf inszeniert eine quälende Situation bedrängter Individuen, im Mittelpunkt der alkoholisierte und nach Wodka verzweifelt bettelnde Senja (er wird als emotionales Opfer seiner arroganten Frau Marja erkannt), dabei einige verkommene Pilger, ein lebenslustiger Arbeiter Fedja und ein gewalttätiges Faktotum Merik. Aus dieser Konstellation entwickelt sich ein Szenario menschlicher Reaktionsweisen höchster Intensität.

Will Humburg interpretiert mit dem präsenten Symphonieorchester der Stadt Münster Corghis patchwork nicht nur technisch perfekt sondern vor allem situationsgerecht in den verschiedenen Instrumentengruppen: lyrische Streichergruppen mit Tschaikowski-Themen, vor allem die Bläser mit dissonanten Ausbrüchen und das Schlagzeug mit großem Apbloms. Corghis Musik ist - wie schon bei seiner Diware - von hoher artifizieller Qualität und von emotionaler Wucht; Will Humburgs Anteil an diesem Erfolg modernen Musiktheaters ist nicht hoch genug einzuschätzen (und das Mäkeln der Münsteraner Stadtpolitik an diesem Theater ist das Armutszeugnis einer Möchtegern-Kulturstadt!).

Im quälenden Ambiente von Dieter Richter mit den milieustiftenden Kostümen Renate Schmitzers agiert ein hochmotiviertes Ensemble: allen voran Radoslaw Wielgus als qualvoll-leidender Senja; eine bezwingend nachvollziehbare Charakterstudie mit Darstellung und Stimme. Mineo Nagata setzt seine Spielkunst und seinen intensiven Tenor für einen pseudolustigen Fedja ein; Stefan Adams Merik ist die außergewöhnliche Studie eines grobschlächtigen Krawallos, der auf seine Art Mitleid zeigt - indem er mit dem Beil agiert.

Das Premierenpublikum ist emotional überwältigt; vor allem der jugendliche Teil ist nicht nur betroffen, sondern feiert - nach Momenten des Nachdenkens - das grandiose Theaterereignis mit seinem Plädoyer für Menschlichkeit.


Foto: © Michael Hörnschemeyer