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Es beginnt betulich-spannend in einer
Art Reihenhaus-Wohnzimmer der 50er Jahre plus Gummibaum nebst Einbruch
einer lärmenden Gruppe Volkes und dem Auftauchen des "Draufgängers" mit
schwärmerischem Dichterfreund. Mittels Oldtimer sind Onegin und Lenski
bei der Larina sowie ihren Töchtern Olga und Tatjana durch die Wand eingebrochen
- und es beginnt der bizarre Teil der Onegin-Inszenierung von Inga Levant
(Regie), Jan Freese (Bühne) und Magali Gerberon (Kostüme): Entstehung
und Ausgang des Duells bleiben im zeitlichen Irgendwo, ideell und konkret
verortet am Grab Puschkins; es geht nahtlos über zum Ball beim Fürsten
Gremin, einem jungen Schnösel, den man nicht als Gast auf einer Fete wünscht,
Onegin verschwindet nach Tatjanas Abweisung zu Lenskis Leiche, die im
Sportwagen auf ihn wartet. Schwer, sich auf das alles einen Reim zu machen;
bleibt das Vergnügen an den kommunikativen Konstellationen und deren indifferenter
Permanenz - postmoderne Szenen als selbstreferentielles Spiel.
Gesungen wird in Münster auf gutem Niveau, wenn auch das konstruierte
Bühnengeschehen den tönenden Wohlklang beeinträchtigt. So ist Birgit Beckherrns
Tatjana auch stimmlich eher "kess" als lyrisch-sentimental; ebenso geht
es Renatus Meszar, dessen Zeitgeist-Onegin die Ruhe zur vokalen Entfaltung
seiner kraftvoll-timbrierten Stimme fehlt.
Unter der Leitung Will Humburgs fehlt dem Orchester die Konstanz über
die gesamte Spielzeit: beinahe chaotischen Phasen folgen Momente hochkonzentrierten
Musizierens, die Dramatik in Tschaikowskijs Komposition auslotend, ohne
jede flache Sentimentalität.
Das Sonntagsnachmittags-Publikum reagierte gelassen bis begeistert auf
Bühnengeschehen, Musik und Gesang. (frs) |
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