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Fakten zur Aufführung 

SAUL
(Georg F. Händel)
28. April 2003 (Premiere)


Bayerische Staatsoper
München



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Reise nach Jerusalem

Nach den erfolgreichen Händel-Opern der letzten Spielzeiten präsentiert München nun unter der Regie von Christof Loy ein szenisches Oratorium im wortwörtlichen Sinne. Der geöffnete Vorhang entblößt einen kargen, akkurat bestuhlten Konzertsaal - hinten die Stühle für das Volk beziehungsweise den Chor, in erster Reihe die VIP-Plätze der Solisten. Schon im orchestralen Vorspiel erschöpft sich das aufgeregte Agieren der Solisten entlang dieser Stuhlreihe auf der Suche nach dem rechten Platz. Endlich erscheint David, der Bezwinger Goliaths, unterm Arm jedoch nicht dessen Kopf, sondern einen Händelschen Klavierauszug.

Die rampenparallelen Aktionen mit dem aufgereihten Chor im Hintergrund ließen den ersten Akt wie eine semi-konzertante Aufführung erscheinen, würde nicht eben dieser Chor sehr differenziert agieren, um einerseits die Handlungen der Solisten zu kommentieren, andererseits die Stimmung der Volkesseele darzustellen. Christof Loy hat die einzelnen Charaktere sparsam aber klar gezeichnet: König Saul als verhärmten, cholerischen Herrscher, dessen Kinder Jonathan und Michal weicher und sensibler als die harte Schwester Merab und David als den naiven, charismatischen Helden. Die strenge Form lockert sich in den folgenden zwei Akten, doch die Sparsamkeit bei Requisiten und Bühneneinrichtung bleibt. Ab und zu stürmen Solisten als Bodyguards oder vermummte Sondereinsatzkommandos über die Bühne, und die Hexe von Endor kommt als Obdachloser in Sauls Palast.

Herbert Murauer entwarf Bühnenbild und Kostüme: Sein weiß getünchter, klassizistischer Saal mit Orgelpositiv über dem Eingangsportal wirkt kalt und nackt, die fünf Stufen, die auf das Proszenium herabführen, dienen als Stellfläche für besagte Stühle oder müssen von den Darstellern bespielt werden, wobei diese so gut wie möglich zu variieren versuchen. Das Portal dient als Fluchtweg vor Sauls Speerattacken, die leider einem misslungenen Lichteffekt zum Opfer fallen, oder als umnebelte Himmelspforte für den Auftritt des Propheten Samuel (Jonathan Lemalu) aus dem Jenseits. Erst wenn die im Gegensatz zu den Solisten wirkungsvoll kostümierten Choristen den Saal bevölkern (Choreographische Mitarbeit Jacqueline Davenport) beginnt er zu wirken.

Ivor Bolton leitet das von Barockinstrumentalisten verstärkte Bayerische Staatsorchester voller Dynamik und übernimmt teilweise selbst das Continuo. Unter dem Händel-Spezialisten wird die Musik zum homogenen, flexiblen Klanggenuss, welcher nur gelegentlich geschmälert wird, wenn die Präsenz des Orchesters zum Nachteil der Sänger gerät.

Herausragend und bewegend singt der Countertenor David Daniels die Harfenarie des David und stellt sich damit an die Spitze der hochkarätigen Gast-Solisten: John Mark Ainsley als Jonathan singt mit großer Stahlkraft, bleibt szenisch aber etwas blass, Alstair Miles gibt einen souveränen, hölzernen Saul, Rosemary Joshua besticht durch Beseeltheit ihrer Arien und Rebecca Evans müht sich im ersten Akt mit den dramatischen Ausbrüchen ihrer Merab, kann später aber in den lyrischen Arien glänzen. Der Münchner Tenor Kevin Conners in der Rolle des Priesters verströmt Wohlklang in seinen weihevollen Arien.

Bis auf einige Bravos für den Dirigenten beim Wiederauftritt nach den beiden Pausen, schien das Premierenpublikum während der Vorstellung auf den Händen zu sitzen: Kein einziger Szenenapplaus. Dann trat auch noch Intendant Peter Jonas nach der zweiten Pause vor den Vorhang, um die völlige Indisposition von Robert Tear als "Witch of Endor" anzusagen, welcher dann seinen Part mit heiserer Stimme tapfer deklamierte. Und am Ende? Tosender Beifall, Bravos und Getrampel auf den Rängen! Der Chor mit seinem Leiter Udo Mehrpohl wurde enthusiastisch gefeiert, die Solisten und Ivor Bolton ebenso, und die wenigen Buhs für die Regie gingen im allgemeinen Jubel unter. (if)


Foto: © Wilfried Hösl