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Die Lamentomafia
David Alden darf wieder ran und nach seinen Münchner Ringtaten konnte
man gespannt sein, wie er der von Rache- und Leidensarien schwangeren
Rodelinda mit Britpop beikommen wollte. Doch er fügte sich in Händels
Lamento, bietet den Sängern ein ausführliches Rampentheater an und erspart
ihnen die zynische Bloßstellung ihrer gesungenen Gefühle. Die Affektsprache
der Arien findet sich in den Handlungen und Gesten wieder.
Zwar ist Aldens Regie statisch und bewegungsarm, doch gelingt ihm während
der Arien mittels der Konzentration auf eine pointierte, oft verlangsamte
Aktion, eine sinnvolle, ästhetische Gratwanderung zwischen Stehtheater
und umeinander kreisendem Aktionismus. Hier sind auch die Versatzstücke
von Aldens gewohnter Ironie zu finden: Unulfo, ein Verlierertyp, dem die
Herzen des Publikums zufliegen, steckt sich bei: "Ein Lüftchen hat geweht,
das mir die Brust erquickte" (ital. gesungen) erschöpft eine Zigarette
an.
Bühnenbild (Paul Steinberg) und Kostüme (Buki Shiff) transportieren die
Handlung ins amerikanische Gangstermillieu der 50er Jahre. Die Bühne des
zweiten Aktes beschwört Edward Hoppers eingefrorene Alltagsbanalitäten.
Die Rahmenakte überstrahlen riesige Bertarido-Statuen - wem erst Denkmäler
gesetzt sind, der ist erstens tot und zweitens ungefährlich! Leider bleiben
Aldens Bilder innerhalb rein illustrativen Theaters. Das Gangsterumfeld
ist zurückhaltend, erklärt wenig und gerade die Fragen nach den Triebkräften
der Macht bleiben unbeantwortet.
Trotz der klingenden Sängernamen war der Abend allemal durchschnittlich.
Dorothea Röschmanns Rodelinda fand erst gegen Ende zu stimmlicher Balance.
Sie bediente sich beständig eines übermäßigen Vibratos und ließ ein wenig
metallische, hellere Klangfarben vermissen. Ihre Kontrahentin Felicity
Palmer als Eduige schreckschraubte sich mit einer wie vom fünften Flachmann
gezeichneten Stimme nicht unlustig durch die Partie. Von den Männern konnte
nur Michael Chance trotz anfänglicher Intonationsschwächen überzeugen.
Mit Christopher Robson (mit sehr geradem Ton ohne Vibrato) teilt er aber
das klassische Counter-Problem der substanzarmen tiefen Töne.
Im Orchester paarten sich alte mit neuen Instrumenten, was die Blockflöten
und Oboen überstimmte. So wurden die vielen Geigen gezwungen, leise zu
spielen. Das klingt als fordere man von einer Fußballmannschaft im piano
"We are the Champions" zu singen: Kultiviert, aber ohne Feuer und Farbe.
Boltons Deutung fehlte der Groove.
Das Publikum erwies sich im Schlussapplaus merkwürdig unberührt von den
Schwächen des Abends. Ein leises Buh und viele Bravos. (tv) |
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