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Fakten zur Aufführung 

KÖNIGSKINDER
(Engelbert Humperdinck)
1. November 2005
(Premiere: 29.10.05)

Städtische Bühnen Münster

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Von Kinderweisheit

„Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“ So gehen Märchen zu Ende. Angesichts der Katastrophe in Engelbert Humperdincks „Königskindern“ bleibt einem dieser Satz im Halse stecken. Die Königskinder erfrieren elendig – ein Märchen-Desaster. Im Gegensatz zu „Hänsel und Gretel“ sind die „Königskinder“ ein Anti-Märchen, aber eines, das, will man die über weite Strecken lichte Poesie von Text und Musik nicht konterkarieren, doch im Märchenbild erzählt werden sollte. An der Bayerischen Staatsoper hat sich Staatsintendant Sir Peter Jonas mit der Rarität einen persönlichen Wunsch erfüllt.

„Er sollte zeigen, dass Zivilcourage eine unverzichtbare Voraussetzung ist für ein lebenswertes Leben“, fordert Jonas von einem Regisseur des Werkes. Andreas Homoki hat sich daran gehalten. Im liebestodtraurigen 3. Akt zeigt er Gänsemagd und Königssohn nicht mehr im pastellgrünblonden Gewand der vorangegangen Akte, sondern als graue, zerstörte Alte im Rollstuhl, einander stützend und aufhelfend. Kein Zweifel, obwohl verarmt und halb verhungert, hat sich dieses gemeinsam gegen gesellschaftliche Widerstände verteidigte und gealterte Leben gelohnt. Wenn auch im Fiebertraum, so hat es sich Erinnerungen an gute Stunden bewahrt. Homoki will nicht zu viel, er lässt dem Märchen Raum und deutet an, worum es in der Oper auch geht – um phantastische Kinderweisheit. Die Kinder, sogar die Wilden mit Punkerfrisur und Fußballclubfahnen erkennen die Königskinder vor den in schnicksigem Rosa gekleideten Erwachsenen. Ihnen zur Seite steht ein Kinderversteher, der Spielmann, eine halbrealistische Figur, die Homoki als magischen Gegenpart zur Hexe konzipiert und lange vor seinem ersten Ton, die Gänsemagd beobachten lässt.

Ein weißer Schrank ersetzt in einem von Kinderhänden gemalten Wald, der wie bei Baselitz auf dem Kopf steht, das Hexenhaus. Bedeutung erhält er je nach Betrachter. Für den einen wird er Gefängnis, für den anderen Zufluchtsort gewesen sein.

Für die Gänsemagd von Annette Dasch ist er eher zweites und ein großes Spielzeug. Dasch blüht in ihrer Rolle wunderbar auf. Sie hat einen zum Dramatischen tendierenden Sopran, der für gute Wortverständlichkeit garantiert und sich herrlich naiv stellen kann. „Was ist ein König“ fragt sie den Königssohn und man würde sie am liebsten ans Herz drücken. Robert Gambill gelingt es seinerseits einen Jungspund von einfachem Zuschnitt darzustellen – naiv, nicht dumm. Stimmlich betont Gambill seine schönen lyrischen Seiten, vermeidet es zu forcieren und haushaltet innerhalb der langen Partie sinnvoll mit den Kräften. Dagmar Pecková ist derzeit auf die Hexe abonniert. Doch gelingt ihr Humperdincks Hexe überzeugender als Verdis Preziosilla am gleichen Haus. Vielleicht hext sie nicht keck genug, doch im grünen Sekretärinnenkostüm darf sie die Biedere wohl keinesfalls verleugnen. Als wendiger Spielmann präsentiert sich Roman Trekel. Schien seine Stimme zu Beginn nicht frei genug, so gewann er schließlich Stabilität und Intensität.

Fabio Luisi hatte es anfangs furchtbar eilig. Der Arme musste, kaum aus dem Auto gesprungen, fracklos vors Orchester treten. Deutschland, deine Autobahnen! Doch Luisi fand zu einem ausgewogenen Ton zwischen Dramatik und Lyrismus und schwelgte ohne Schwulst in den wunderbaren Orchesterfarben. Ein Lob für die vielbeschäftigte Flöte!

Das Publikum übte sich leider in Maßhaltung. Starker Applaus aber keine Begeisterung. „Das ist doch etwas süßlich“, raunte eine Rentnerin und sah dabei nicht wie eine glühende Anhängerin wüsten Regietheaters aus. Schwierige Voraussetzungen um diese schöne Oper durchzusetzen. (tv)


Fotos: © Wilfried Hösl