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Die Oper - das Leben?
Wann erweist sich ein Publikum gegenüber seinen Sängern als so großherzig
und dennoch kritisch wie es in "Le nozze di Figaro" im Prinzregententheater
der Fall war? Jede Arie wurde eifrigst beklatscht. Doch Schattierungen
in der Intensität kommentierten die Leistungen der blutjungen Sänger der
bayerischen Theaterakademie durchaus differenziert.
Die Regie Christian Pöppelreiters stellt die Opernbühne als großes weißes
Quadrat mit minimalster Requisitendekoration in den Zuschauerraum und
platziert dahinter sichtbar das Orchester. Damit trägt Pöppelreiter der
Wunschvorstellung vieler Regisseure Rechnung, dass Oper mitten im Leben
stattfinden müsse, um die Zuschauer mitten hinein ins Geschehen zu ziehen.
Unter akustischen Gesichtspunkten ist das Prinzregententheater für solch
eine griechische Bühne leider äußerst problematisch: der weite Hallraum
schluckt die Stimmen, so dass die Sänger versucht sind ihnen zu viel zuzumuten.
Vor allem haben die Darsteller keinen direkten Kontakt zum Dirigenten.
Nicht zuletzt deshalb liefen viele Passagen aus dem Ruder.
Pöppelreiter schafft seinen Sängern aber auch einen Bühnenraum für schauspielerische
Freiheit, der zu wahrhaft aberwitzigen Einlagen genutzt wird, wie dem
Kampf zweier wildgewordener Damen. Mit solch schockierender Brutalität
gehen alle Charaktere der Oper miteinander ins Gericht. Ihre Gefühle sind
stets impulsiv und unkontrolliert. Die Mehrdimensionalität der Musik,
Ironie, Witz und Gelassenheit gehen verloren. Auf dieser Bühne wirkt das
Geschehen, das treu nach den Regieideen Mozarts inszeniert ist, ausgestellt
wie ein Ringkampf.
Natürlich spitzte man sein Ohr ganz genau und horchte nach Talenten. Günther
Papendell als Figaro ist so eines. Seine Stimme ist beweglich, kraftvoll,
dunkel und in allen Lagen farblich ausgeglichen. Die bejubelte Arie "Aprite
un po' quegli occhi" bürgte vollendet für diese Qualitäten. Alesja Miljutina
(Susanna) und Alison Oakes (Contessa) offenbarten dramatische Züge, Miljutina
reichlich Vibrato und metallische Farbe. Von Oakes wünscht man sich noch
die leichten, sanften Höhen, von ihrem Almaviva (Ivan Orescanin) die satte
Tiefe und mehr Volumen. Katerina Hebelkova als Cherubino erfüllte diese
beiden Wünsche mit warmem Mezzo.
Das Georgische Kammerorchester Ingolstadt unter Ulrich Nicolai glättete
die rhythmischen Verwerfungen aufmerksam, ließ aber bei durchgehend flotten
Tempi den Feinschliff vermissen. (tv) |
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