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Zum Geburtstag mal was Altes
Kürzlich wurde das neue Opernhaus Erfurt mit einer Uraufführung eröffnet.
Das war durchaus ungewöhnlich, werden doch Theater meist mit Freischützen,
Fidelios oder Don Giovannis ihrer Funktion übergeben. Als am 12. Oktober
vor 250 Jahren das Münchner Cuvilliéstheater im Rokokoglanz eingeweiht
wurde, bestand kein Zweifel daran, dass eine ganz neue Oper aufgeführt
werden sollte. Diese Novität war Giovanni Battista Ferrandinis ,Catone
in Utica' auf ein Libretto von Metastasio; wie fast alle Opern der Zeit
eine situationsbezogene Eintagsfliege.
Das Jubiläum, welches das Theater in einem kurzen Festakt mit dem bayerischen
Finanzminister Kurt Faltlhauser beging, haucht dieser Oper nun neues Leben
ein. Wie so oft bei Barockopern klingt die Handlung nach ,Denver Clan':
Cato und Cäsar ringen um die Macht. Marzia, Catos Tochter, liebt aber
dummerweise Cäsar, was den Kampf verkompliziert. Fehlen noch Emilia, die
rachsüchtige Frau des Cäsaropfers Pompeius und Arbace ein numidischer
Möchtegernehemann für Marzia, um alles zu verwirren. Am Ende ist der prinzipientreue
Cato suizidiert, Marzia Cäsar beleidigt, Emilia verbittert und Arbace
immer noch allein.
Die Chance, dieses unbekannte Werk nun auf seine szenische Flexibilität
abzuklopfen, wurde verschenkt. Die Regie von Peer Boysen bleibt halbszenisch.
Sechs Throne in einer Reihe, dahinter ansteigend die schwarze Orchestertribüne,
beiderseits einer Art Showtreppe, deren Verlängerung in den Zuschauerraum
als Steg ausläuft, bilden die Bühne von Ulrike Schlemm. Kommt noch Kleidung
unserer Tage hinzu, drängt sich der Gedanke an eine Talkshow auf. Worte
und Namen der Personen werden als deutsche Übertitel über jedem Platz
eingeblendet. Der Zuschauer kann wie im Fernsehen Voyeur spielen, wenn
immer mal wieder aufeinander losgegangen wird und seelische Abgründe in
langen Monologen (Arien) offensichtlich werden.
Im Verlauf entwickelt sich diese abstrakte Konstellation aber zu einer
Art arg pathetischem Rollenspiel mit naturalistischen Elementen, die als
Zugeständnis an die "tatsächliche" Handlung banal wirken. Cato schwingt
das Fernglas, Emilia das Messer, Cäsar den Lorbeerkranz, die Throne werden
zu Barrikaden. Das Ergebnis ist wenig erhellend und visuell ermüdend.
Ferrandinis Musik hingegen ist eifrig und feurig. Doch irgendwann rauschen
die nicht wenigen hochvirtuosen Plattitüden einfach vorüber. Freilich
Aufhorchen ist immer wieder geboten, gerade auch in den lebendig gestalteten
Rezitativen.
Kobie van Rensburg (Cato), Simone Schneider (Marzia) und Sandra Moon (Emilia)
zeichnete ein hohes Maß an Ausdrucksdichte und vielseitiger Gestaltung
der Arien aus, wenngleich sich Rensburg bisweilen fest sang. Die Stimmen
von Cäsar und Arbace sind Geschmackssache. Während der Altus Johnny Maldonado
(Arbace) noch mit einigermaßen ausgewogenem, schönem, auch sattem Timbre
sang, klang der Sopranist Robert Crowe in den Kapriolen der Zeter- und
Mordioarien nur noch laut, schrill und quälend schneidend. Christoph Hammer
dirigierte mit furiosem Elan und befeuerte die Partitur gewinnbringend.
Die neue Hofkapelle München klang dementsprechend nicht nach Ehrenrettung,
sondern farbig und nach vollem Einsatz, was in den Naturhörnern schon
mal daneben gehen konnte.
Publikumskritik ließ sich an diesem Feier-Abend natürlich keine hören.
(tv) |
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