Tiefste Trauer
Die Szene beginnt mit einem implodierten blow down des Vorhangs mit den Gesichtern von Orpheus und Eurydike; dann beginnt in einem verfallenden Saal mit Seitenfenster, großen Türen, einem Erdhügel und einem Wasserloch ein langer Tanz des Orpheus mit der leblosen Eurydike. Nach langen Minuten setzt Glucks Musik ein, das Spiel beginnt, doch bei den emotional-bewegenden Angeboten von Musik, Gesang und Szene wirkt das getanzte Drama in seinen wechselnden Konstellationen wie eine lebendige Verdoppelung.
Mit der Unterwelt-Szene ändert sich der Eindruck total: phantastische Masken der Schatten bedrängen und beschützen Orpheus und Eurydike, die Paare existieren im innig-emotionalen Gesang und kommentierend-nachdenklichen Tanz mit faszinierend-ambivalentem Schlussbild: die Sänger im glücklichen Gluck-Ende, die Tänzer als Orpheus-Eurydike Pieta: Liebe gilt auch im Tod.
Andreas Kriegenburg führt Chor und Sänger (mit der variablen Choreografie Zenta Haerters) zu intensiv-emotionalen Konstellationen, bereitet die Schlussszene mit langem Atem vor, orientiert sich an den musikalischen Vorgaben mit bewundernswertem Einfühlungsvermögen, setzt den Mythos der tiefsten Trauer in intensiv-abstrahierende Bühnenrealität um.
Der Mitleiden provozierende Bühnenraum Harald Thors und die düsteren Kostüme Andrea Schraads verstärken den tief-emotionalen Eindruck.
Ulrike Mayer spielt den Orpheus als Sänger des Verzweifelns an den unbegreiflichen Willen der Götter, singt mit grandios-verschattetem Timbre die flehentliche Trauer; Ute Bachmaier gelingt eine verletzte Eurydike mit variabler Stimme und Evmorfia Metaxaki gibt Amor positiv-glänzende Töne.
Alexander Steinitz interpretiert mit den Magdeburgischen Philharmonikern einen so gar nicht elegischen Gluck: die emotionalen Ambivalenzen werden zu differenziert-emotionalen Klängen.
Das Publikum im total ausverkauften Haus leidet mit den Protagonisten, ist tief beeindruckt von Musik, Gesang und Tanz und erlebt die Aufführung als Triumph "ihres" Theaters! (frs)
|