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Es ist ein imponierender Erfolg: Wolfgang
Quetes "entdeckt" die großen Gefühle - hingebungsvolle Liebe Ophelias,
unbändigen Hass Hamlets, Verbrechen und Reue bei Claudius, Todesangst
bei Gertrude, Fatalismus bei den Totengräbern, unbändige Liebe zur Schwester
bei Laertes, ein Kraftwerk der Gefühle par excellence!
Diese aufs Wesentliche verknappte und reduzierte Regie-Idee findet ihr
stimulierendes Pendant im kontrastierenden Bühnenbild von Eberhard Matthies:
kalte stählern wirkende Fassaden werfen die an sich leidenden Figuren
auf ihre extremen Gefühlswallungen zurück.
Die bislang als "belanglos" missachtete Musik Thomas' gewinnt vor diesem
Ambiente in der fulminanten Interpretation durch Jan Michael Horstmann
mit der Magdeburgischen Philharmonie faszinierende Kraft. Satte Streicherklänge,
schweres Blech und intensivste Holzbläser vermitteln authentische Emotionen
im Höchstmaß - ein highlight: Saxophonsoli von stimulierender Intensität
(man fragt sich, weshalb das um 1850 entstandene Instrument für Opernpartituren
als ungeeignet abqualifiziert wurde - Ambroise Thomas wusste 1860, was
er tat!).
Die Hauptrollen sind in Magdeburg geradezu sensationell besetzt: Ute Bachmaier
singt die Wahnsinnsarie der Ophelia mit hingebungsvoller Leidenschaft,
vermag darstellerisch und stimmlich Effekte zu erzielen, die phänomenale
Wirkungen auslösen. Roland Fenes ist ein manisch getriebener Hamlet, weit
weg vom zaudernden cunctator, ein Charakterkopf mit kalkulierter Phrasierung.
Undine Dreißigs Gertrude ist eine außergewöhnliche Charakterstudie - stolze
Königin, liebende Mutter, am Leben hängende Frau; und Urs Markus verleiht
dem Mörder Claudius ergreifende Züge der Reue.
Diese geballte Ladung authentisch-extremer Gefühle lockt am Sonntagnachmittag
ein junges erfahrungshungriges Publikum in das atmosphärisch dicht rekonstruierte
Magdeburger Haus, gebannt folgend, durchaus betroffen, schließlich begeistert
applaudierend. Wenn die Kids informiert werden, dass regendurchnässte
Steppjacken besser in der Garderobe zu platzieren sind, dass Nuckeln an
Mineralwasserflaschen im Opernhaus deplaciert wirkt und dass pünktliches
Erscheinen auch für die Einstimmung auf das zu erwartende Ereignis hilfreich
ist - dann hat Magdeburg ein ideales Auditorium! (frs) |
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