|
Theatergeschichte
Die historischen Mittel des Theaters theatral zu demonstrieren und damit
auch noch attraktives Theater zu spielen: das muss einfach im gutgemeinten
Didaktischen enden. So geschehen in Leipzig: Goy Joostens Konzept zeigt
die ersten Troja-Akte als griechische Tragödie mit einem heutigen "Publikum",
die ersten Karthago-Akte als Mixtur von rand Opera, Barockoper, commedia
dell'arte, den Schlussakt als episches Theater.
Doch besondere Defizite sind in der Personenführung zu konstatieren: stilisierte
Gesten, beliebiges Nebeneinander vermögen keine Gefühlswelten zu vermitteln.
Johannes Leyackers Bühnenbild entspricht dem Inszenierungskonzept - Räume
à la Dionysos-Amphitheater, ein phantasievoller Moloch, Requisiten sie
bei Brecht oder Beckett; insgesamt der imposante Einsatz bühnenbildnerischer
Möglichkeiten, durchaus von hohem optischen Reiz!
Die Kostüme Jorge Jaros vermitteln ästhetische Kategorien der Theatergeschichte,
belegen seine schier unglaubliche Kreativität zumal im optisch zentralen
Mittelteil, aber auch seine Sensibilität für Personen in existentiellen
Situationen.
Die Extraklasse des Gewandhausorchesters steht außer Frage, doch wie die
phantastischen Musiker unter Leitung von Marc Albrecht die epochemachende
Berlioz-Komposition umsetzen, das verdient absolute Hochachtung: die eher
konventionellen Passagen - Balletteinalgen im Stil der Grand Opera - verströmen
süffige Musikalität, die exzessiven Ausbrüche ermitteln gänsehauterzeugend
das Revolutionäre der Musik. Der gewaltige Chor (Anton Tremmel) unterstützt
vor allem in den brachialen Märschen, in den aggressiven Massenemotionen!
Das Leipziger Ensemble beeindruckt durch kompetentes Darstellen in den
"kleineren" Rollen. Die Hauptrollen sind hochkarätig besetzt: Robert Chafins
Aeneas, Nadja Michaels Cassandra und Cornelia Helfrichts Dido beweisen
in höchster Intensität ihre stupenden Möglichkeiten des Emotionen vermittelnden
Belcanto-Singens.
Das international angereicherte Leipziger Premierenpublikum verteilte
den Schlussapplaus angemessen: Riesenjubel für Orchester, Chor und Solisten,
eine Buh-Mehrheit für die Regie (leider treten Regisseur, Bühnenbildner,
Kostümgestalter, Lichtdesigner gemeinsam auf, so dass weitere Differenzierungen
nicht möglich sind) - die Stimmung ist durchaus positiv. (frs) |
|