Barocke Affekte
Goethes Theater von 1802 mit einer – man sagt und sieht bei Besichtigungen – funktionierenden barock-illusionierenden Bühnen-Maschinerie: das erweckt Gelüste nach der Übereinstimmung von präsentiertem Werk und historisch-faszinierender Bühnentechnik mit Versenkungen, wechselnden Prospekten, Soffitten-Effekten, Regen- und Donner-Maschinerien.
Elmar Fulda entwickelt kein historisch-dokumentierendes Theater, verweist aber in einzelnen Elementen auf die illusionierenden Elemente des barocken (Musik-)Theaters – nutzt die Möglichkeiten der klassisch-drehbaren Plattform, integriert die technischen Möglichkeiten der Seilwinden zu Szenen-Veränderungen, verzichtet auf Flugmaschinen und Drehbühne - vermittelt aber dennoch die imaginierende kommunikative Konsistenz des barocken Musik-Theaters. Fulda demonstriert Keisers Intentionen der kunstvollen Vermittlung von dramatischen Situationen mit charakterisierender Instrumentalisierung - es gelingt inszenatorisch die so schwierige Zusammenschau von barocken Affekten und nachvollziehbaren Gefühlen !
Ute Werners behutsam barockisierende Bühne verweist auf die nicht-realistischen Elemente der imaginierenden Bühnentechnik – setzt Seilwinden ein und präsentiert überraschende Einblicke in die verschachtelte „Unterwelt“!
Wolfgang Katschner gibt sich mit der so brillanten Lautten Compagney den Klang-Erfindungen und der Klanglust Keisers hin. Die differenzierte Instrumentalisierungs-Kunst Keisers wird vor allem im Gleichzeitigen von Realismus und Zeremoniellem hörbar, vermittelt sowohl einen ganz eigenen Orchester-Klang als auch einfühlsame Begleitung der Gesangs-Solisten mit ihren komplexen Koloraturen und melodiösen Rezitativen.
Mit Kwang-Yun Chi ist ein ambivalent-verunsicherter Claudius zu hören, dem das barock-vibratofreie Singen authentisch gelingt. Susanne Langbein und Leni Reißmann geben die liebenden Messalina und Calpurnia mit ausdrucksvollen Stimmen – Leidenschaft und Enttäuschung stimmlich hinreißend artikulierend. Die jungen Sänger der Weimarer Musikhochschule vermitteln die Idee der faszinierenden Barock-Oper mit beglückender Intensität – zurückhaltend in der artifiziellen Attitüde, souverän im differenzierten Ausdruck. Nur eines fehlt: die absolute Textverständlichkeit!
Im Lauchstädter Goethe-Theater folgt ein konzentriertes Publikum den Irritationen der Gefühle mit gespannter Aufmerksamkeit, versucht die komplexe Handlung – und ihre Bedeutung – nachzuvollziehen, spendet am Schluss begeisterten Applaus. Aber da sitzt links in der siebten Reihe im breitgestreiften Pulli der allgegenwärtige „Digital-Beobachter“ mit leuchtendem Display – und schert sich weder um rechtliche Normen noch um Störungen der übrigen Besucher. Hausverbote sollten die Konsequenz sein – doch dazu bedarf es ernsthafter Bemühungen der Veranstalter. (frs)
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