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Düsterer Politthriller
In der Operngeschichte gibt es für jedes Extrem ein Beispiel. Von der
schlechtesten Musik mit dem besten Text, bis zum schlechtesten Text mit
der besten Musik. Kommt die Rede auf die verzwickteste Handlung, fällt
der Titel von Verdis "Il Trovatore". Dem Bühnenerfolg hat das nicht geschadet
- im Gegensatz zum Zweit-Aspiranten auf den Titel, Verdis "Simon Boccanegra".
Thilo Reinhardt ging in seiner Inszenierung des "Simon" den glücklichen
Weg der äußerlichen Aktualisierung, bei weitgehend dramaturgischer Treue
zur Vorlage. Durch die Segnungen der Übertitelungsanlage wurde der Gang
eines veritablen Politthrillers plausibel, in dem Maschinengewehre und
Gewaltbereitschaft auf allen Seiten Gut und Böse auf das Heute verweisend
vermischen. In Verdis romantischer Welt der Schwerter und Rüstungen können
die Düsternis und der Pessimismus dieses Dramas leicht zum pittoresken
Kostümschinken verkommen.
Der Prolog erinnerte an den desaströsen WTO-Gipfel in Genua 2001. Die
übrigen Akte, in einem mit einer Stahltür von der Außenwelt abgeschotteten,
dunkel furnierten Konferenzraum, ließen das unlösbar gestörte Verhältnis
der anzugtragenden Politikerklasse zum Volk im Blaumann augenscheinlich
werden (Bühne und Kostüme: Paul Zoller). Eine vielsagende Idee drückte
Simons Sehnsucht nach einem früheren Leben aus. Bereits vom Gift benebelt,
zog er sich den weißen Mantel des Seemanns über, ohne damit den Anzug
des Politikers ganz verbergen zu können. So nimmt er sein trauriges Ende
als vom Leben enttäuschter, von der Politik gezeichneter Mann.
Die stimmliche Leistung der Landshuter Hausbesetzung, zu der sich lediglich
die warme, kräftige und ausdrucksvolle Baritonstimme Damir Basyrovs (Simon)
hinzugesellte, war nicht nur für ein kleines Theater außergewöhnlich.
Was hier geboten wurde, muss in den großen Häusern erst einmal nachgemacht
werden. Christophe Duringer gab mit gespanntem, schattenreichem Singen
seinem Paolo Kalkül, Evert Sooster mit schnell flackerndem Vibrato und
markant durchdringendem Bass Fiesco die Aura des kühlen, doch zutiefst
traurigen Aristokraten. Oscar Imhoff und Min-Hee Jeong verliehen bei erstaunlicher
Stimmsicherheit dem Liebespaar Gabriele und Amelia Emphase und Temperament.
Aus dem winzigen Graben konnte natürlich kein großbesetzter warm dahinfließender
Verdi-Sound strömen, was kaum störte, da Basil Coleman und das Orchester
eine saubere, kammermusikalisch differenzierte Vorstellung lieferten.
Dabei brauchte man in den großen Finali mit der Unterstützung des respektablen
Chores keine kraftvollen Klänge missen.
Das frische Landshuter Publikum honorierte die außerordentlichen Leistungen
mit vielen Vorhängen. (tv) |
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