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Fakten zur Aufführung 

LUCIA DI LAMMERMOOR
(Gaetano Donizetti)
4. März 2005 (Premiere)

Südostbayerisches Städtetheater (Landshut)

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In der Pathologie

In Lucia di Lammermoor von Gaetano Donizetti ist alles pathologisch. Die Menschen benehmen sich pathologisch, die Räume sehen pathologisch aus und sogar die Art Feste zu feiern hat etwas pathologisches, weil unbewegtes. Karsten Wiegands Inszenierung am Südostbayerischen Städtetheater wirkt wie das Spiel von Wahnsinnigen. Da braucht es keine Entwicklungen und Verwicklungen, irgendwie macht alles von Anfang an einen leicht irren Eindruck. Sechs Seziertische beherrschen die kleine Bühne (Bühne: Bärbl Hohmann), meist scharf und grell beleuchtet. Dazwischen irrlichtern Lucia, Enrico, Edgardo und der Chor in heutiger Kleidung mit viel Karomustern herum; Lucia spielt immerhin in Schottland! (Kostüme: Julia von Sell).

Viel weiß Wiegand mit dem Raum nicht anzufangen, zu sehr scheint er auf seine Wirkung als Metapher zu vertrauen. Der Ausdrucksgehalt dieser Anordnung ist aber schnell bewusst und das Auge verlangt nach mehr Sinnstiftung, auch mehr Aktion, die ihm nicht geboten wird. Die Schauspielerei der Sänger bleibt rudimentär. Meist stehen, liegen oder sitzen sie an der Rampe, dabei ist die Bühne so klein, dass man selbst vor der Brandmauer alles hören könnte. Die Statik, das große Problem von Barock- wie Belcanto-Opern, hat Wiegand nicht aufzulösen vermocht.

Sängerisch und musikalisch ist die Aufführung überzeugend ausgefallen. Zwar musste man auf die in Passau bejubelte Lucia von Britta Ströher wegen Krankheit verzichten, doch stand mit Alexandra Lubchansky eine großartige Einspringerin auf der Bühne. Sie deutete, ihren stimmlichen Mitteln angemessen, die Figur introvertiert, verschlossen. Ihre Spitzentöne waren keine Salven, sondern zarte Leuchtkörper, ihre Koloraturen keine erotischen Verzwirbelungen, sondern eher Ausdruck der Schwindelzustände einer zunehmend Verwirrten. Lucias Wahnsinnsarie erreichte ihre Wirkung so weniger als vokales Feuerwerk, als vielmehr durch die Darstellung einer vollkommenen Entrückung. Oscar Imhoffs Edgardo war der absolute Gegenentwurf zu dieser Figur. Der Tenor stemmte sich im ersten Teil schon mal veristisch nach oben und riskierte dabei einiges an Stimmgesundheit. Dabei ist der Stimmklang durchaus einnehmend, die Schlussszene, in der er gemäßigte Mittel einsetzte, stellte es unter Beweis. Wuchtig, aber stimmlich vollkommen überlegen konnte Kyung-Chun Kim dagegen den Enrico geben. Da vermisste man kaum etwas. Was ich vermisste, war die 1. und 2. Szene des 2. Aktes zwischen Edgardo und Enrico, die leider (wie so oft) gestrichen wurde.

Die Niederbayerische Philharmonie unter Basil Coleman gestaltete die Partitur mit Tempo und einem nervösen Pulsschlag. Die kleine Besetzung war im Verbund mit dem soliden Chor zu erstaunlichen Finalwirkungen fähig. Die gnadenlose Akustik ließ jedoch Unsauberkeiten im Piano nicht unverdeckt.

Das Publikum, sonst eher bedächtig, zeigte Begeisterung für die Produktion. Vor allem Kyung-Chun Kim und Alexandra Lubchansky wurden mit Ovationen und vielen Vorhängen gefeiert. (tv)


Fotos: © Südostbayerisches Städtetheater