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Veredelte Preziosen
Dieses war der erste Streich einer aufregenden Spielzeit, mit der sich
der Intendant des Südostbayerischen Städtetheaters Stefan Tilch als mutiger
und ausgefuchster Theatermann präsentiert. Mit "Simon Boccanegra", Poulencs
"Die Brüste des Tirésias" oder Rameaus "Dardanus" werden viele Raritäten
gezeigt, wobei ich nicht das Gefühl habe, dass Tilch Probleme haben könnte,
sein Publikum zu finden. Der Doppelabend mit Offenbachs unbekannter Operette
"Daphnis und Chloé" und Suppés nicht weniger selten gespielter "Schönen
Galathee" war sehr gut besucht und begeistert beklatscht worden.
Ulrike Gärtner sorgte mit ihrer Regie besonders in der "Galathee" für
vergnügliche Unterhaltung, der die Sänger mit Elan und Spielwitz folgten.
Katja Schindowski ließ für "Daphins" einen stilisierten französischen
Garten mit klaren geometrischen Formen bauen, in dem aufdringliches Heckengrün
mit knalligem Rot von rotbackigen Bacchantinnen kontrastierte. Der Bildhauer
Pygmalion hingegen versuchte, seiner zum Leben erwachten schöne Galathee
in einem strahlendweißen lichten Atelier Herr zu werden. In diesem ließ
Gärtner profilierte Typen auftreten: Midas als den exaltiert seine Händchen
werfenden Kunstfreund in Violett, den Diener Ganymed als arbeitsscheuen
Cherubino-Verschnitt, Pygmalion als alternden Künstler und Galathee als
naiv unverfrorenes Gör.
Damit schlug Gärtner den Bogen zu Offenbach, in dem Daphnis und Chloé
ebenso unschuldig, doch verdächtig lernwillig die Liebe entdeckten wie
Ganymed und Galathee. Gegenüber der "Galathee" blieb das Tempo des "Daphins"
etwas zurück, was schon an den sechs Bacchantinnen gelegen haben mag,
die auch im Spiel Chorroutine zeigten, nicht aber solistische Präsenz,
die von ihnen gefordert gewesen wäre.
Den sängerischen Lorbeer des Abends erhielt Britta Ströher (Chloé/Galathee).
Die Sopranistin gestaltete ihre Partien mit klangschönem Ton und wunderbar
sanft weichem Ansatz in der Höhe, der sich zu veritablem Volumen entwickeln
konnte. Noch ein wenig klarere Diktion und man darf noch viel von dieser
jungen Dame erhoffen. Ihr zur Seite standen zwei Erkältungsopfer. Peter
Tilch (Midas/Pan) glich mit schauspielerischem Einsatz wenige Verrutscher
im Forte problemlos aus. Im (positiven) Gegensatz dazu dosierte Karla
Bytnarová (Ganymed/Daphins) ihre Kräfte. Dies ging zulasten des fließenden
Legato, doch nicht auf die Stimme. Stimmverzehrend hingegen sang Oscar
Imhoff. Wenn lautstark gestemmte hohe Töne wegbrechen, dann nützt das
der gespielten Emphase des liebenden Pygmalion, aber nicht der sängerischen
Zukunft.
Einen äußerst positiven Eindruck hinterließ das Orchester unter Christopher
Wasmuth. Klangsinnlich versuchte es nicht nach großer Operettenkapelle
zu klingen, sondern zeichnete feine Konturen und veredelte die zwei leichtfüßigen
Preziosen. (tv)
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