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Sehnsüchte
Ein Gefühlserlebnis auf hohem Niveau bescheren die Niederrheinischen Sinfoniker
dem aufnahmebereiten Krefelder Publikum: Graham Jackson gibt mit intensiven
Vor- und Zwischenspielen den Sog der Gefühle vor: eine Melancholie der
beseligenden Art, elegisch zwar, aber nicht sentimental.
Patrick Schlösser inszeniert die melancholische Trauer über Existenzen
in engen Welten mit unüberwindbaren kommunikativen Problemen, aber immer
die eschatologische Metapher vom ersehnten Tod als "Beiseiteschieben des
Vorhangs" im Blick.
Voraussetzung dafür ist ein aufgeschnittenes Bürgerhaus mit Souterrain,
Beletage und Treppenhaus von Jürgen Kirner, auf- und zuklappenden Türen
und anknipsendem Licht, das die Spielräume fokussiert. Das geschieht wie
im alten Stummfilm-Klassiker "Grandma's Looking Glass" - wir Zuschauer
werden zu Voyeuren. Die sozial karikierenden Biedermeier-Kostüme von Uta
Meenen vermitteln das bedrängende Element der Zeitgeist-Empfindsamkeit.
Der beeindruckende Steven Harrison verleiht einem melancholie-süchtigen
Werther sowohl darstellerisch-mitfühlende Präsenz als auch stimmlichen
Ausdruck durch emotionale Phrasierung. Dieser Grundton bestimmt auch Carola
Gubers Charlotte, für ihr schicksalergebenes Leidensprinzip allerdings
ein wenig zu dramatisch. Aber auch der sonst als naive kleine Schwester
vorgeführten Sophie gelingt mit der putzigen Barbara Cramm der Sprung
in die entsagungsbereite Sehnsucht. Selbst der sture Albert und der etablierte
Bailli sind durch Konstantin Rittel-Kobylianskis und Hayk Deinyans Interpretationskunst
Teil der melancholisch-resignierten verlorenen Gesellschaft.
Im gut besuchten Krefelder Haus ist ein offenbar gefühle-suchendes Publikum
von Musik und Gesang gefangengenommen, reagiert auf das Bühnengeschehen
aber eher irritiert.
Am Rande bleibt die Frage, weshalb man sich in Krefeld nicht für einen
Sonntags-Beginn um 18 Uhr entschließen kann. (frs) |
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