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Wahrheit
In Krefeld verfolgt ein Publikum aus leidenschaftlichen Freaks und informierten
"Traditionalisten" die musikalisch, ästhetisch und intellektuell anspruchsvolle
Oedipus-Demonstration hoch konzentriert und reagiert am Ende enthusiastisch
bzw. respektvoll.
Gregor Horres setzt sich nicht mit dem Schuld-Problem auseinander, sondern
zeigt das qualvolle Suchen nach der Wahrheit und die erschütternde Reaktion
auf die existentielle Bedrohung; "aktualisiert" wird nichts, doch steht
die Frage nach dem Ende des "brutalst-möglichen Aufklärers" im Raum und
damit das Problem der Wahrheitssuche im politischen System.
Die Bühne Kirsten Dephoffs erinnert mit Stühlen, Tisch, Treppengeländer,
Trümmerbrocken großer Architektur im transparenten Bühnenkasten an Installationen
der avancierten bildenden Kunst: in ihrer Gebrochenheit der eruptiv-abgründigen
Musik Rihms entsprechend.
Diese "klanglichen Momentaufnahmen" eines Orchesters ohne Streicher geht
bis an die physische Schmerzensgrenzen mit brutalem Schlagzeug und fetzigen
Bläsern; Kenneth Duryea lässt den perfekten Niederrheinischen Sinfonikern
aber auch die sanften Klänge reflektierend zu Gehör kommen; faszinierend
die - einzigen - spitzen Geigentöne zur verzweifelten Selbstblendung des
Oedipus!
Johannes M. Kösters spielt einen total gebrochenen Oedipus, artikuliert
die ungeheuer anspruchsvolle kompositorische Vorgabe Rihms mit vollkommener
Intensität. Ronald Carters Kreon besticht durch aggressiv-hohe Töne, Christoph
Erpenbeck beeindruckt als abgeklärter Tiresias und Carola Gubers Jokasta
ist eine beklagenswerte Mutter und Frau mit auch elegischer Emotion. Das
Krefelder Ensemble - auch per Band technisch hervorragend präsent - und
der Chor setzen musikalische Vorgaben und inszenatorische Konzeptionen
ungemein engagiert um. Eine hocheindrucksvolle Demonstration für das "moderne
Musiktheater"! (frs) |
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