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Die Atriden: ein Vorspiel
Peter Konwitschny inszeniert mit seinem Bühnenbildner Hans-Joachim Schlieker den vorgezeichneten Weg ins Eschatologische, aus dem Alltäglichen in der Welten-Unglück. Vor Beginn spiegeln sich die Ränge im gläsernen „Vorhang“; davor albert Agamemnon mit seinen kleinen Kindern in der Badewanne, wird bestialisch erschlagen: man weiß, wie Elektras Trauma entstand. Dann läuft die Zeit rückwärts; die rachsüchtige Elektra, die hilflose Chrysothemis, „Big Mama“ Klytämnestra streiten, bis Orest auftaucht und die finale Tat erledigt. Die Zeit steht still, Elektra beklagt das Schicksal – dann: die Atriden-Sippe stürzt auf die Bühne, von Feuerwerk begleitet, verfolgt und niedergemacht durch eine brutale Macht, die Zeit rast vorwärts.
Das Ensemble der Kopenhagener Opera spielt intensiv, singt beeindruckend: Eva Johanssons Elektra besticht vor allem durch trotzende Attitüde und anklagende Töne in der Mittellage; Tina Kirberg vermag der zagend-verzweifelten Chrysothemis empathischen Klang zu vermitteln; Susanne Resmarks Klytämnestra bleibt bei aller stupenden Bühnenpräsenz stimmlich blass; ähnliches gilt für den alterprobten Paul Elming, während Johannes Mannovs kerniger Bariton dem Orest kämpferische Statur verleiht; überzeugend die Mägde und der Kongelige Operakor.
Det Kongelige Kapel lässt unter Michael Schønwaldt die Ambivalenzen der Strauss-Komposition hören; doch geraten die Phasen des Temholens wesentlich emotionaler als die brutalen Ausbrüche orchestraler Totalität.
Für das Kopenhagener Publikum – vertraut mit provozierender Kunst, aber offenbar nicht mit „politischem“ Musiktheater (und schon gar nicht mit der szenischen Sprache Konwitschnys) – steht die erste Begegnung mit ihrem neuen Opernhaus im Vordergrund: skeptische Kommentare während des (pseudo-)skurrilen Vorspiels, gepflegte Aufmerksamkeit während der Aufführung, nachhaltiger Applaus; Alltagskommunikation im Bus während der Rückfahrt. Man kann gespannt sein, wie anders das Publikum in Stuttgart (Koproduktion!) reagiert. (frs)
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