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Fakten zur Aufführung 

DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL
(Wolfgang Amadeus Mozart)
28. November 2010
(Premiere: 26. November 2010)

Oper Köln


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Frauen an die Macht

Die Oper Köln geht auf Reisen und entführt seine Zuhörer im Palladium in den Orient. Türkisch oder Kurdisch wird in der Inszenierung von Intendant Uwe Eric Laufenberg tatsächlich viel gesprochen, aber vom Orient gibt es in dieser Entführung wenig zu sehen. Das liegt vor allem an der kargen Bühne von Matthias Schaller, die eher das triste Grau im kaputten Stein zeigt. Farben steuert Andreas Frank in der Beleuchtung auch nur spärlich bei. Höchstens Antje Sternbergs Kostüme und der rote Coca-Cola–Sonnenschirm bringen ab und an etwas Leben in die Augen, wenn unter den Burkas der Haremsdamen der exotisch bauchfreie Tanzdress sichtbar wird.

Laufenberg hatte ja schon in seinem Don Giovanni die türkische und europäische Kultur aufeinander treffen lassen. Damals versuchte das Familienoberhaupt Masetto seiner Frau Zerlina die Ehre einzuprügeln. Diesmal ist Wolf Matthias Friedrich als Osmin auf das Blondchen angesetzt, um ihr türkisches Benehmen mit der Peitsche beizubringen. Weder das Libretto noch Laufenberg gibt dem Haremswächter eine Chance. Dabei versetzt der Regisseur das Geschehen in die heutige Zeit, in der doch so erhitzt um die Gewaltbereitschaft der Türken und Muslime diskutiert wird. Doch das wird höchstens angedeutet, wenn Osmin zum Maschinengewehr greift oder sich Konstanze bei den „Martern aller Arten“ ihrer Steinigung gegenüber sieht, was sich aber in den letzten Takten noch als Traum der nur von Liebeskummer gepeinigten Frau entpuppt.

Wie beim Don Giovanni hat Kölns Intendant auch bei der Entführung viele Einfälle, die er aber hier kaum zu einem stimmigen Gesamtbild zusammensetzen kann. Am Ende ist nur zu erkennen, dass sich weder die europäischen noch die türkischen Männer gegen die Frauenpower behaupten können. Noch während der munter singende Chor (Einstudierung Andrew Ollivant) den Bassa Selim preist, hält ihm einer seiner Sklavinnen den Gewehrlauf an den Kopf. Im Hintergrund fährt noch eine Wand hoch, hinter der der Bulli der reisenden Oper Köln sichtbar wird. War dies eine Fortsetzung aus dem Don Giovanni, wo man nach der Höllenfahrt den Blick auf einen Raum in der Renovierungsphase sieht? Sicher kann allerdings sein, dass Laufenberg nicht gegen die Musik inszeniert, so dass man einen Abend ohne jede billige Provokation erlebt.

Vor allem büßte die Aufführung ihre Spannung dadurch ein, dass das Palladium der Musik die nötige Akustik schuldig blieb. Man konnte förmlich sehen, wie Dirigent Konrad Junghänel das Orchester zu spritzigen Akzenten anfeuerte, doch irgendwie kam das großartige Spiel des Gürzenich-Orchesters nicht über die ersten Reihen hinaus. Was man hörte, war immer noch schlichtweg großartig: Junghänels Interpretation mit Spannung aufbauenden Pausen, mit hinausgezögerten Auftakten, mit pulsierendem Drive fügte die Oper zu einem großem Ganzen zusammen. Manche Unsicherheit in den Einsätzen der Sänger wird sich in den nächsten Aufführung legen.

Dass die Musik ihre Anziehungskraft im Laufe eines merkwürdig zähen Abends verlor, lag vor allem daran, dass auch die Sprache der Sänger im Raum verwischt wurde. Von Konstanzes Arien verstand man nur wenige Worte, was angesichts der Leistung von Olesya Golovneva bedauerlich war, die ihre Traurigkeit wirklich in den Ton packen konnte und sich bis zur „Martern“-Arie immer mehr steigerte. Ebenso erging es auch dem Blondchen der sympathischen Anna Palimina, die sich zwar keck durch die Noten sang, aber die oberen Reihen mit Konsonanten und Ausstrahlung nicht erreichen konnte. Auch John Heuzenroeder teilte dieses Schicksal, bereicherte die Aufführung aber mit viel Einsatz und Charme. Brad Cooper als Belmonte pflegte einen adeligen Gesang mit wirklich schönem Timbre und guter Pianokultur, die aber (durch eine Indisposition?) oft ins Gehauchte abglitt. Der bedrohliche Wolf Matthias Friedrich ging den Osmin nicht als brummigen Bass an, sondern durch die deklamierte Bosheit, die zwar mangelndes Bassfundament kaschierte, aber ihn verbal sehr deutlich präsentierte. Ihsan Othmann ist ein temperamentvoller Selim, aber orientierungslos angesiedelt als Geschäftsmann mit Politiker-Geste.

Fazit: Wenn diese Entführung noch etwas mehr Drive und Sicherheit gewinnt und zurück im Opernhaus angekommen sein wird, kann sich zeigen, ob die Zuschauer sich auch ohne orientalischen Charme in den angedeuteten clash of culture und der Geschlechter entführen lassen.

Christoph Broermann

 













 
Fotos: Paul Leclaire