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Wer Gelüste hat, im Anonymen versteckt
die Sau rauszulassen, obszönes Gegröle abzusondern, künstlerisch tätige
Menschen hemmungslos anzupöbeln: der findet bei den Premieren in der Kölner
Oper eine Menge Gleichgesinnter. "Die Inszenierung ist Scheiße" - "Aufhören"
- "Alden go home": so klingen die Fanfarenklänge Kölner Opernfans - "Buh"
wird da erst im brüllenden Toben zur opernkonformen Artikulationsform.
It's a shame.
David Alden hat diesen Furor des Mobs provoziert: Die Szene spielt im
exaltierten Sex besessenen Milieu enthemmter "moderner" Künstler, Groopies,
Impresarios, Modellen. Don Giovanni ist Aktionskünstler, als sex-machine
Projektionsfläche für die Begierden der Szene - ein "Mann ohne Eigenschaften",
allzeit bereit. Und so präsentieren sich die Figuren: Donna Anna, zwar
vergewaltigt, aber süchtig nach Giovanni, frustriert von dem öden Ottavio;
der Commendatore macht sich an seine Tochter; Leporello nutzt die Gelegenheiten
wie sie kommen, ist der Impresario Giovannis, und lichtet per Polaroid
seinen Star permanent ab; Zerlina ist als Modell total ausgeflippt hinter
jedem Event her. Da bleibt Masetto als Opfer des Sex-Monsters, und da
bleibt vor allem Donna Elvira als einzig Liebende in einem durchgeknallten
Ambiente.
Gideon Davey baut ein Pop-Atelier mit Verweisen auf Exponate der Installationskunst,
mit einem "himmelstürmenden" Giovanni à la Jonathan Borofsky, der sich
selbst als Gehängten entwirft. Das Atelier wird von außen gesehen zum
Balance-Akt für die Akteure vor dem flackernden Hintergrund des Großstadt-Getriebes:
permanent gefährdet, ohne Bodenhaftung.
Das Ensemble exhibitioniert sich regiegemäß, setzt die prekären Szenen
erotisierend um, vertraut aber letztlich auf die fulminanten sängerischen
Kompetenzen: Dietrich Henschel gleitet legatogesteuert durch die Eruptionen
Giovannis; Peter Rose bleibt verhalten als Leporello; Alessandro Guerzoni
hat die Schwärze des Komturs; Gunnar Gudbjörnsson klingt tenoral sicher
als ete-petete-Ottavio; und Martina Serafin brilliert geradezu mit ihrem
Schmerz! Dazu Andrew Collins und Natalie Karl als stimmsichere Masetto
und Zerlina.
Dem Kölner Gürzenich-Orchester verbleibt unter dem eher zurückhaltenden
Graeme Jenkins die stimulierende Begleitung der aggressiven sex comedy.
Mozarts Vitalität lebt extensiv - der sex approach führt zum kommunikativen
Overkill. (frs) |
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