Weibliches Leid
Die eine Frau: am Telefon ihr Geliebter, das Gespräch permanent unterbrochen, sie sich immer wieder entschuldigend, gehörte Lügen verzeihend – bis zum Ende versagend liebend.
Die andere Frau: insistierend in ihrem Drang, die Geheimnisse ihres Geliebten zu entschlüsseln, selbstbewusst bis zur tödlichen Konsequenz.
In Poulencs Voix Humaine und Bartoks Blaubart kontrastieren zwei divergierende Frauenbilder in liebenden Beziehungen.
Nicola Beller Carbone gibt der sehnsüchtigen Frau imaginative Dimension, fasziniert durch nahezu exhibitionistische Präsentation, beeindruckt mit einer ungemein variantenreichen Stimme – ausdrucksstark in den Parlando-Passagen, sicher in den extremen Höhen, variabel in den geforderten Register-Wechseln. Takesha Meshe Kizart ist eine ungemein insistierende Judith, selbstbewusst, permanent hinterfragend, zugleich nach einer verborgenen Liebe suchend – stimmlich höchst emotionalisierend, mit brillanten Höhen, mit enormem Volumen und bezwingendem Timbre. Johannes Martin Kränzle überzeugt als brutal-konsequenter Blaubart: eine Stimme voller Kraft und unterschwelliger Dimension.
Friedrich Eggert baut zum einen eine abstrahierende Waldszene als Kommunikations-Raum; präsentiert Blaubarts Burg als intimes Ambiente mit dämonischen Öffnungen.
Bernd Mottl inszeniert durchaus nachvollziehbare Frauen-Porträts in extremen Situationen, findet imaginäre Situationen, missversteht aber offensichtlich existenzielle Not als Anlass frivol-unangemessener Pointen: Judiths Kampf um Blaubarts Geheimnis wird im letzten Bild als Alptraum eines spießigen Ehepaars „entlarvt“ – das Seelendrama von Bartók und Balasz wird zur Klamotte!
Oleg Caetani dirigiert das prägnant aufspielende Gürzenich-Orchester zu impressivem Spiel, reagiert auf die so unterschiedlichen Poulenc- und Bartók-Vorgaben mit differenzierender Interpretationskraft, lässt den Instrumenten Gelegenheiten zu virtuosem Spiel, begleitet die Sänger mit bemerkenswerter Sensibilität.
Das Kölner Publikum kann sich über sehr kenntnisreiche und informative Texte in der Opern-Zeitung und im Programmheft auf die Werke vorbereiten - begeisterte Zustimmung für zwei Werke, die für Köln heutzutage als „modern“ empfunden werden.
Auf alle Fälle: Die Oper Köln scheint auf respektablem Weg!
Franz R. Stuke
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