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Fakten zur Aufführung 

TRISTAN UND ISOLDE
(Richard Wagner)
3. Februar 2007 (Premiere)
Wiedereröffnung des Theaters

Staatstheater Kassel

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Liebe - Sühne - Tod

Man muss es nach einem großartigen Wagner-Abend einfach zuerst loswerden: Mit einem schniefenden, hustenden, plaudernden, uninformierten und ignorant selbstgerechten Honoratioren-Publikum ist kein Staat(stheater) zu machen!

Zwar hatte Kassels Oberbürgermeister – wohl in Unkenntnis des Zu-Erwartenden – einen „vergnüglichen Abend“ gewünscht, doch hatte Ministerpräsident Koch mit Emphase auf die „Freiheit der Kunst“ verwiesen. Nun haben die Nordhessen ihr großzügig für mindestens 35 Millionen Euro renoviertes Staatstheater wieder - doch die Aversionen gegen Ungewohntes sind virulent wie eh und je. Bleibt zu hoffen, dass die penetranten „Ehrengäste“ nicht repräsentativ sind für das Kasseler Opern-Publikum!

Johannes Schütz inszeniert auf leerer Bühne ein intimes Spiel um Liebe, Sühne und Tod: Als „sprechende“ Requisiten fungieren Tische, Stühle, Äpfel, schwarze Tücher. Das Verhältnis der jungen Liebenden ist bestimmt durch unausgesprochen-unbegriffene Leidenschaften, durch den Wunsch Isoldes nach Sühne, Tristans Reue, beider Traum vom gemeinsamen Tod in der Ewigkeit der „Weltennacht“. König Marke ist in diesem Inferno der Emotionen ein hilflos kommunizierender Patriarch, der die ihm fremden Gefühlswelten nicht begreifen kann.

Adrienne Dugger gibt sich mädchenhaft-spontan, ist in gespielter Naivität die Akteurin eines unwiderstehlichen Plans. Lona Culmer-Schellbachs Brangäne ist die ahnende Komplizin so wie Stefan Adams Kurwenal Tristans bedingungsloser Knappe ist. Und Leonid Zakhozhaev gibt dem Tristan jungenhafte Unbefangenheit mit der Bereitschaft zu grenzenloser Ekstase.

Sängerisch überzeugen die Protagonisten mit brillanter Interpretation. Leonid Zakhozhaevs Tenor beeindruckt mit einem jung-kraftvollen Timbre und viel power im dritten Akt; allerdings sind die Fähigkeiten zu sensiblen Differenzierungen noch nicht so recht hörbar. Adrienne Dugger ist an verschiedenen Bühnen als Turandot zu hören gewesen, singt in Bayreuth die Senta, und setzt als Isolde emotionale Akzente, die ihre fulminante stimmliche Bandbreite unangestrengt ermöglicht. Allan Evans ist stimmlich ein stoischer Marke, doch fehlt ihm die durchschlagende Kraft. Über die wiederum verfügt Stefan Adam, der mit kalkulierter Stentorstimme dem Kurwenal bezwingende Kraft verleiht. Lona Culmer-Schellbach hat als Brangäne ihre starken Momente in den gedeckt-intensiven Warn-Rufen im zweiten Akt. Jürgen Appel, Young-Hoon Heo und Mark Bowman-Hester verleihen dem Steuermann, dem Seemann und Melot adäquate stimmliche Präsenz.

Geradezu erregend die musikalische Kompetenz des Orchesters des Staatstheaters Kassel: Dem konsequent animierenden Roberto Paternostro gelingen mit dem offenbar hochmotivierten Orchester piano-Passagen äußerster Intensität, Momente atemraubender Stille und tutti-Ausbrüche in transparenter Klarheit - das großartige Musizieren in permanenter sensibler Abstimmung mit den Sängern und in faszinierender Konsonanz mit dem intimen Bühnengeschehen.

Vor dem renovierten Haus ist nur noch das Skelett des „Kuppeltheaters“, des Zeltes, zu sehen. Mit dem ambitionierten Tristan ist eine glanzvolle Zukunft des Kasseler Staatstheaters zu erwarten. (frs)


Fotos: Dominik Ketz