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Film im Kopf
"Wagner wäre nach Hollywood gegangen": dieser Slogan verstörte in den
90er Jahren viele Alt-Wagnerianer in Bayreuth. Wie durch Wagners pure
Musik ein dramatisch-differenzierter Film im Kopf entstehen kann, beweist
hoch eindrucksvoll der konzertante Parsifal in Kassel. Konzertant, weil
Erkrankungen bis kurz vor Vorstellungsbeginn sie beachtete szenische Version
Sebastian Baumgartens unmöglich machten.
So präsentieren sich archetypische Charaktere pur: allen voran Hans-Peter
König als Gurnemanz, ein eindrucksvolles Porträt von Ratlosigkeit und
Weisheit, Freude und Trauer, elementarer Empörung, getragen von einer
schier unerschöpflichen Stimme. Urs Markus gibt einen Amfortas voller
Sucht nach dem Tod; Dieter Hönig einen unbeugsam-herrischen Titurel; Lona
Culmer Schellbach eine bußfertige Kundry; Jan Zinkler einen alternativ-sinnlichen
Klingsor; und Torsten Scharnke ist als naiver Parsifal der Erlöser, der
der Erlösung bedarf. Das Kasseler Ensemble (die sechs Blumenmädchen!)
beweist ohne szenische Vorgaben seine stimmliche Kompetenz. Der Chor (Adrian
Müller) ist topfit, reagiert gespannt, bisweilen ein wenig zu martialisch.
Das vorzüglich disponierte Orchester des Staatstheaters Kassel demonstriert
stupende Klangkultue; wie unter Roberte Paternostro der Karfreitagszauber
emotionale Intensität gewinnt - so hat man Wagners Musik als Imagination
virtueller Realität ganz selten gehört.
Im Theater sitzen die Treuesten der Treuen, folgen gespannt, lassen sich
aber nicht zu kollektiven Applaus-Stürmen hinreißen. Man spürt die kommunikativen
Probleme für Theatermacher im skeptischen Kassel hautnah! (frs) |
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