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Ein Choroper ist Mussorgskijs Zarenoper
ohne Zweifel. Wolfram Mehring inszeniert in Kassel ein hilfloses Volk
gegenüber den Intrigen der Mächtigen im monumental-brutalen Bühnenbild
Wolf Münzners - Höhepunkt: riesige Scheinwerfer pendeln im Klang bedrohlicher
Glocken! Doch den statischen Tableaus fehlt der Furor der hochdramatischen
Musik Mussorgskijs. In Kassel wurde die Fassung Schostakowitschs gewählt,
die Rimski-Korsakovs Bearbeitung der Urfassung um Effekte reduziert und
eher politisch argumentiert - auf Kosten eben dieser emotionalen Ausbrüche.
Und so gelingt es auch Roberto Paternostro nicht, die Ungeheuerlichkeit
des Geschehens mit dem Orchester des Staatstheaters zu einem durchgehend
faszinierenden Kollektivklang zu formen.
Ähnlich ergeht es dem vielbeschäftigten Chor (Leitung Adrian Müller):
stimmlich wohl präpariert, aber durch stilisiertes Handeln zu kalkuliertem
Singen gezwungen. Als Boris agiert und singt Vidar Gunnarsson eher wie
der "Zar" bei Lortzing ohne Dämonie, gescheitert wie ein versagender Abteilungsleiter.
Dem Schuski Rainer Maria Röhls bliebt eine indifferente Moderatorenrolle.
Die dramatisch-sängerischen Highlights setzen Friedemann Röhling als Mönch
Warlaam und Omar Jara als warnender Narr.
Nach der total ausverkauften Premiere blieben im Kasseler Haus bei der
zweiten Präsentation viele Plätze leer. Ein eigentümlich unengagiertes
Publikum, das auch während der Aufführung bis zur Ammen-Szene noch seine
Plätze sucht; tiefprovinziell, was die Intendanz da ermöglicht! (frs) |
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