Der Tod en passant
Ullmanns Schicksal im NS-Lager Theresienstadt bleibt ausgeblendet. Tyrannei und Todesverweigerung werden zu einem Panoptikum skurriler Figuren. Von existenzieller Betroffenheit keine Spur.
Sebastian Müller gelingt es in keiner Phase, das Unerklärbare auch nur ansatzweise theatral umzusetzen. Die von Peter Kien im Libretto so intensiv-abhängig entwickelten „Figuren“ agieren zusammenhanglos, werden nicht zu gequälten Charakteren, bleiben zufällige Episoden.
Dazu stellt Stephanie Burger eine nach vorn und hinten geöffnete weiße Kiste auf die Bühne - mal als Büro, mal als Zwangs-Zelle zu verstehen - konventionelle „Ausstattung“ ohne emotionale Kraft.
Und so präsentiert Christopher Ward die verzweifelten Bemühungen Ullmanns als blasse Verweise auf die Musik der Zwanziger Jahre. Dem Theaterjugendorchester des Staatstheaters Kassel ermangelt es an nachvollzogener Tiefe des Menschheitsdramas. Da klingt alles technisch korrekt, emotional unbeteiligt, kammermusikalisch beliebig mit beiläufiger Attitüde.
Stefan Adam gibt dem tyrannischen Kaiser eher joviale Figur, intoniert kraftvoll, aber ohne ambivalente Zweifel. Dieter Hönig als kommentierender Lautsprecher, János Ocsovai als bizarrer Harlekin, Mark Bowman-Hester als desillusionierter Soldat, Annika Sophie Ritlewski als irritierter Bubikopf und Itziar Lesaka als getriebener Trommler bleiben eindimensional in der Darstellung, singen stimmlich angemessen, aber ohne die so notwendige Textverständlichkeit. Stephen Owen ist ein gravitätisch auftretender Tod, statuarisch im Auftritt, sonor in der Stimme.
Im eher karg besuchten Kasseler Schauspielhaus versammelt sich ein aufnahmebereites Publikum, das dem undeutlichen Geschehen geduldig folgt – und die Akteure mit verständnisvollem Beifall bedenkt. (frs)
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