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Furioser Auftakt
Mit der Neuinszenierung von Laurence Dale beweist das Tiroler Landestheater,
dass die Wiener Operette im historischen Kontext weder verstaubt noch
plüschig auch einhundert Jahre später voller Leben auf die Bühne zu bringen
ist.
Der britische Regisseur entführt das Publikum schon in den ersten Takten
der Einleitung äußerst gelungen in das Karnevalstreiben von Paris, indem
er den bunt kostümierten Chor Luftschlangen blasend und singend durch
den Zuschauerraum auftreten lässt. Die geschickte Inszenierung der Ensembleszenen
zieht sich als roter Faden durch den Verlauf des Stückes: Mit britischem
Humor hat Dale immer wieder originelle Auftritte der Statisterie - sei
es als Kellnerbrigade, als dilettantisches Corps de Ballet oder als Gruppe
feiner Damen nebst Hündchen als auflockernde Elemente oder Zwischenspiele
eingeflochten. Die nötige Ruhe für die tiefen Gefühle der Protagonisten
lässt er in den entsprechenden Szenen ebenso zu wie er von den Sängerdarstellern
Wahrhaftigkeit in der Charakterisierung ihrer Figuren verlangt.
Dietrich von Grebmer (Bühne) liefert mit wirkungsvollen Effekten vielseitige
Räume und Pariser Ansichten, in denen von der Vollmondnacht über die Theatervorstellung
bis zur Autofahrt alles möglich ist. Das Ensemble fühlt sich in der geschaffenen
Umgebung sichtlich wohl, zumal bis in die kleinsten Nebenrollen alle Beteiligten
in den eleganten und mondänen Kostümen von Kathrin Köhler eine gute Figur
machen.
Wie aus Puccinis "Bohème" entsprungen führen Anja Scholz als kokette,
reizende Juliette und Christian Zenker mit schönem Timbre als jungenhafter
Maler Armand in das Pariser Leben von 1909 ein und begleiten das Hauptprotagonisten-Paar
leichtfüßig und ein wenig beiläufig durch den Abend.
In der Titelpartie des Grafen René verkörpert Dan Chamandy den galanten,
wenn auch bankrotten Lebemann elegant und mit tenoralem Glanz. Susanna
von der Burg darf darstellen, was sie auch im wirklichen Leben ist: eine
prachtvolle Operndiva. Als solche durchaus glaubwürdig berührt sie am
stärksten in den innigen Passagen der Duette mit ihrem Partner. Allerdings
vermögen beide Hauptdarsteller nicht, die emotionale Achterbahnfahrt,
die in dieser Operette erzählt wird, so sehr mitfühlen zu lassen, dass
am Ende keine Zweifel an der Unerschütterlichkeit ihrer Liebe blieben.
Bei der Darstellung der Angèle vermisst man verzeihlichere Beweggründe
als bloßen Eigennutz und emotionale Gleichgültigkeit, sich zu einer anonymen
Heirat mit Scheidungsgarantie bereit zu erklären, um anschließend eine
standesgemäße Ehefrau für ihren sie vergötternden ältlichen Gönner abzugeben,
den sie aber nicht liebt. Frederic Grager als jener liebestolle Fürst
Basil Basilowitsch wird in Innsbruck zum eindeutigen Publikumsliebling.
Er scheut sich nicht, mit wunderbar brummbärigem Bass, russischem Akzent
und völliger Hingabe an seine Rolle den Narren zu geben, dem die Herzen
der Zuschauer zufliegen - viele Bravos für ihn als verdienter Lohn für
vollen körperlichen Einsatz und absolute Echtheit der Darstellung. Christina
Kubelka beeindruckt in ihrem kurzen Auftritt durch die charismatische
Interpretation der Gräfin Kokozow, die Basilowitsch am Ende seine Angèle
in einem Augenblick vergessen lässt und mit ihm das Traumpaar des Abends
abgibt.
Der junge Wiener Dirigent Sascha Götzel leitet den Abend souverän, schafft
mit dem Tiroler Symphonieorchester Innsbruck die duftige Leichtigkeit,
die Lehárs Musik verlangt und weiß seine Sänger zu tragen.
Mit teils gedämpfter, teils offenkundiger Begeisterung bedankte sich das
Innsbrucker Publikum bei den Ausführenden, mit wohlwollendem Applaus beim
Leitungsteam der Produktion. (if) |
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