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Oper selbstreferentiell
Domenico Scarlatti (Alessandros Sohn) setzt sich 1715 ironisch-selbstreferentiell mit der Opern-Adaption des Dido-Themas auseinander, verfremdet die Figuren, spielt mit den Figuren und der Musik. Peter Eötvös greift 1976 diese Attitüde auf, „vergeht“ sich an Radames und Aida.
Errico Fresis kombiniert mit dem Ensemble Panarte beide Meta-Intentionen, präsentiert zu den 30. Tagen Alter Musik im geräumigen stadthallenähnlichen Kulturzentrum Herne eine doppelte Irritation: vier Sänger, vier Instrumentalisten vertreten die doppelt-verdoppelten Rollen „konzertant“, singen und sprechen auf italienisch, englisch, deutsch, ohne Übertitel, wechseln ihre Plätze vor einer Keith Haring-Imagination.
Die Konfrontation der Eötvös-Instrumentierung (Sopransaxophon, Horn, Tuba, Clavinova) wird zum Problem für das exzellente barocke Singen der engagierten Solisten – Olivia Vermeulens farbenreichen Mezzo, Tim Severlohs strahlend-flexiblen Countertenor, Michael Gehrkes zuverlässigen Tenor und Timothy Sharps sonoren Bariton.
Der Versuch, alte Musiktraditionen mit modernen Attitüden zu konfrontieren, wird zu einem erlebten Beispiel für das Bemühen, intellektuelles Vergnügen zu evozieren – das geht nicht an die Emotion, missachtet geradezu arrogant das Bedürfnis von Musikhörern nach der Vermittlung von „Seelenkräften mittels Gesang“ (Mortier). Sind die Tage Alter Musik in Herne – mit ihrem hingebungsvoll dankbar-neugierigen Publikum – auf dem Weg in die „Experten-Ästhetik“? (frs)
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