Gnadenloser Hass
Nicole Chevalier ist eine ergreifend leidende Lucia, Opfer der gnadenlosen Brutalität ihrer manisch-gewalttätigen Umwelt. Dazu bietet ihr höchst variabler Sopran eine weite Spannbreite von melodischer Lyrik bis zur expressiven Dramatik – und das alles bei ausgemachter Klangreinheit und –sicherheit in Höhen und Tiefen! Sung-Keun Park gelingen nach langer Steigerung eindrucksvolle Schlussszenen als schuldbewusster Edgardo, der seine geliebte Lucia schutzlos der bösartigen Familie aussetzt:
Dem auf Reichtum bedachten Enrico (Alex Sanmarti), dem Intriganten Normanno (Roberto Gionfriddo), dem verräterischen Pfaffen Raumondo (Radu Cojocariu), dem besitzergreifenden Arturo (Patrick Jones) und der heuchlerischen Alisa (Orietta Battaglione). Das Freiburger Ensemble beeindruckt durch engagierten Gesang mit typengerechtem Ausdruck. Der Chor wirkt statisch und verströmt außergewöhnlich geringe Spielfreude.
Gernot Sahler leitet das Philharmonische Orchester Freiburg solide, ohne besondere Affinitäten zu den Erfordernissen eines becanto-begleitenden Klangkörpers und ist weder der intensiven Inszenierung noch den Sängern eine Hilfe – abgesehen von einigen gelungenen Solo-Passagen.
Roland Schwabs Inszenierungsidee gibt dem Bühnengeschehen immer wieder steigernde Impulse für das Theaterhandeln; gnadenlose Brutalität wird schmerzhaft erlebbar.
Die Bühne von Karin Fritz wirkt sowohl durch ihre Hermetik als auch durch ihre Öffnung ins endlose Nichts stimulierend und erzählt ihre Geschichte (Lucia mit dem erstochenen Arturo), lässt aber auch Raum für die Assoziationen der Zuschauer.
Das Publikum im räumlich großzügigen ausverkauften Heilbronner Theater folgt dem dramatisch-bewegenden Ablauf mit gespannter Aufmerksamkeit, steigert den begeisterten Applaus bis zu standing ovations! (frs)
PS. Erlebt wurde die fünfte von elf Aufführungen der Freiburger Produktion von 2005 in Heilbronn.
|