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Alle Männer sind "schrecklich" normal:
Alwa, Dr. Schön, Schigolch, der Athlet, der Bankier; schrecklich normal
in ihrem Habitus und in ihrem Zwang zur "Verwertung" der Möglichkeiten
Lulus. Barbara Beyer zeigt die selbstbewusste "Anpassung" der Frau, deren
Opferrolle trotz aller Kraft unvermeidlich ist; auch das Geschwitz-Projekt,
für die Emanzipation zu kämpfen, ist zum Scheitern verurteilt!
Hermann Feuchter verlegt diese schreckliche Normalität in eine Kantine
und in einen feindseligen Airport-Wartesaal. Detailgenauigkeit des Ambientes
und dekonstruktive Elemente durchaus körperbetonter Personenführung orientieren
sich an der wechselvoll-assoziativen Musik Bergs.
Dem Staatsorchester Hannover gelingt die intensive Vielfalt von avantgardistischer
Verstörung, lyrischer Kontemplation und deutender Reflexion unter Jörg
Henneberger äußerst eindrucksvoll - "Wohlklang" und Brüche im Zwölftonbereich
sensibel abwägend.
Mit Melanie Walz ist eine unbefangen-selbstbewusste Frau die ideale Besetzung
des Regie-Konzepts, darstellerisch blendend, stimmlich flexibel, ausgesprochen
sicher in Intonation und Phrasierung! Das Ensemble der Staatsoper Hannover
brilliert in den Abgründen menschlicher Bösartigkeit und phrasiert stupend:
Christoph Homberger - nach seinem fulminanten Auftritt in Marthalers "Schöner
Müllerin" bei der Ruhr-Triennale - als gespaltener Alwa; Hans-Peter Scheidegger
als brutal-entgleister Tierbändiger und Athlet; Frank Schneiders als alltäglich-dämonischer
Schigolch; Thomas Möwes als ambivalenter Dr. Schön - und schließlich Janina
Baechle als die Geschwitz, weitab aller Lesben-Klischees. Die Ensembleleistung
hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck.
Das enervierende Buh gegen Melanie Walz mag der Ausbruch eines desorientierten
Anti-Fans sein, doch scheinen die lautstarken Missfallenskundgebungen
gegen das Regieteam der verbliebenen Publikumsmehrheit - zahlreiche Abgänge
waren während der Pause zu beobachten - eher der nicht akzeptierten Verletzung
der Konvention geschuldet ("Die Lulu, ein Raubtier, und was war hier?"
kommentiert ein Protestler). Der offene neue Blick auf die Dinge bedarf
in Hannover offenbar noch vieler Sehhilfen! (frs) |
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